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Verwirrung um die Gaspreise | Ein neues Konzept für den Kinderschutz | Toskanabrot
Guten Tag,
am Dienstag haben wir hier im Brief die Frage gestellt: Wer soll die Energiekosten für die Krankenhäuser zahlen? Viele Menschen fragen sich das auch mit Blick auf ihre eigenen Strom- und Gasrechnungen: Wer soll das alles bezahlen? Und wie teuer wird es denn nun eigentlich?
Am Mittwoch landete dann eine Pressemitteilung in unserem Postfach. Die Naturfreund:innen Münster schrieben, die Stadtwerke hätten ihren Kund:innen die neuen Gaspreise mitgeteilt. Und diese würden zum 1. November „um das Fünffache bei einer 30-Quadratmeter-Wohnung (von 329 auf 1.601 Euro) und fast um das Siebenfache für ein Einfamilienhaus (von 1.218 auf 7.896 Euro)“ erhöht. Moment mal, um wie viel?
Ich habe bei den Stadtwerken nachgefragt, wo man sich die Zahlen gestern erst einmal nicht so richtig erklären konnte. Heute stellte sich dann heraus: Die Preise aus der Pressemitteilung stammen offenbar aus einem Brief an die Geschäftskunden, „die in der Grundversorgung deutlich andere Konditionen haben als Haushalte“, schreibt mir Stadtwerke-Sprecher Florian Adler. Allerdings haben die Sachbearbeiter:innen offenbar ein Schreiben an die Privatkundschaft als Vorlage genutzt und nur ein paar Zahlen ausgetauscht. Das würde jedenfalls erklären, warum die Einheiten „Reihenhaus“ und „Einfamilienhaus“ in der Tabelle mit den alten und neuen Preisen auftauchen, die für Geschäftsräume ja eher nicht gängig sind.
Und was zahlen nun die Privatkund:innen? Deutlich weniger als die Geschäftsleute, aber deutlich mehr als im letzten Jahr. Für 30 Quadratmeter wird ab 1. November 2022 ein Jahresabschlag von 775,26 Euro angegeben. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus ist mit 3.448,26 Euro zu rechnen (alle Kalkulationen beziehen sich auf den Tarif „Grundversorgung“).
Falls Sie noch keine Post von den Stadtwerken bekommen haben und nachschauen möchten, was Sie in etwa erwartet: Hier finden Sie die Tabelle mit den Beispielrechnungen für Privatkund:innen, die die Stadtwerke uns geschickt haben. Und noch eine Lesehilfe dazu: Die Einsparung von 6 Prozent, die in drei Spalten auftaucht, können Sie erreichen, wenn Sie die Raumtemperatur um ein Grad absenken. So steht es jedenfalls in dem Schreiben an die Geschäftsleute. (cbu)
+++ Nach dem Tod von Malte C. vor zwei Wochen hat der Spiegel mit Menschen aus dem Umfeld des mutmaßlichen Täters Nuradi A. gesprochen, unter anderem mit der Mutter, den Geschwistern und mit Farid Vatanparast, dem Boxtrainer des jungen Mannes. Er sagt, irgendwann habe A. „nur noch seine Fäuste und nicht mehr seinen Kopf ausbilden“ wollen. Die Schule habe er immer mehr vernachlässigt. Laut der Staatsanwaltschaft Münster war Nuradi A. vor der Tat schon mehrfach wegen Körperverletzung verurteilt worden. Es habe sich nicht um eine politisch motivierte Tat gehandelt. „In diesem Fall liegt es aber nahe, dass die Attacke queerfeindlich war“, sagt Dirk Ollech, Sprecher der Staatsanwaltschaft Münster laut dem Spiegel. Die Zeit schreibt von einem „Kulturkampf“. In den paar schrecklichen Minuten der Begegnung zwischen A. und seinem Opfer C. seien „zwei Männlichkeitsmodelle – das toxische und das zivile – mit brutaler Wucht“ aufeinandergetroffen. Die Autorin kritisiert, dass die Einstellung von Nuradi A., dokumentiert durch seine Aussagen, vor allem in der linken Sphäre nicht thematisiert worden seien. Sie stellt auch eine Zusammenhang zur Herkunft von Nuradi A. her. Er ist Tschetschene mit russischem Pass. „In kaum einem Land wird so brutal gegen Homosexuelle vorgegangen wie im islamisch geprägten und von Russland verwüsteten Tschetschenien, wo vor fünf Jahren eine regelrechte Säuberungskampagne gegen schwule Männer mit Folter und Mord begann“, schreibt die Zeit. In einem aktuellen Interview kritisiert der stellvertretende CDU-Chef Jens Spahn „die fehlende Bereitschaft weiter Teile der linksliberalen Szene, auch nur auszusprechen, dass hier vermutlich die Herkunft des Täters aus einer schwulenfeindlichen Kultur eine Rolle gespielt hat“. Diese Kritik hat auch uns erreicht. Dazu muss man allerdings sagen: Geklärt ist dieser Zusammenhang noch nicht. (rhe)
+++ Acht von zehn Autos an der Melchersstraße parken teilweise oder vollständig auf dem Gehweg, und das soll sich ab Montag ändern, meldet die Stadt. Sie probiert ein Modell aus, das in Karlsruhe erfolgreich war und daher den Namen „Karlsruher Modell“ bekommen hat. Der Raum neben der Straße soll dadurch wieder vom Parkweg zum Gehweg werden. Parken soll dann nur noch auf gekennzeichneten Flächen erlaubt sein – und was den Unterschied macht: geduldet werden. Bislang drückt das Ordnungsamt in den meisten Fällen beide Augen zu. Außerdem gilt auf der Melchersstraße ab Montag wieder die Regel: rechts vor links. (rhe)
+++ Die Christliche Initiative Romero wirft dem Futtermittelhändler Agravis vor, Soja von brasilianischen Farmen beziehen, auf denen es zu Gewalttaten gegen indigene Menschen gekommen ist, berichtet die taz. Farmer hatten nach Darstellung der Initiative zwei indigene Menschen getötet, die „friedlich“ Land besetzten, das die Farmer sich nach Meinung der Indigenen widerrechtlich angeeignet haben. Agravis will sich zu dem Fall nicht äußern, hat der taz aber eine Stellungnahme des Unternehmens Coamo weitergeleitet, bei dem es Soja einkauft. Coamo schreibt, die Besitzer des umstrittenen Landes seien nicht Mitglied der Genossenschaft. Die Produkte, die man kaufe, würden nicht auf Land hergestellt, das Farmer sich widerrechtlich angeeignet hätten. Es steht also, wie die taz schreibt, Aussage gegen Aussage. Für Unternehmen wie Agravis werden solche Fälle ab Januar noch etwas brisanter als jetzt. Ab dem neuen Jahr verpflichtet das Lieferkettengesetz Firmen verbindlich dazu, sich um die Menschenrechte bei ausländischen Zulieferbetrieben zu kümmern. (rhe)
Hoffest bei Ökullus und Handorfer Herbst
Merken Sie sich schon einmal den 18. und 25. September vor, denn für diese beiden Sonntage haben wir zwei besondere Veranstaltungstipps für Sie: Das Ökullus-Hoffest und den Handorfer Herbst.
Auf dem Hoffest von Ökullus am kommenden Sonntag ab 11 Uhr können Sie unter anderem verschiedene Bier-, Kaffee- und Käsespezialitäten ausprobieren, auf dem Flohmarkt nach besonderen Schätzen stöbern, Kindern beim Erklimmen von Strohburgen zuschauen oder mit dem Trecker über Gemüsefelder fahren. Und wenn Sie möchten, können Sie darüber hinaus ganz viel über ökologischen Landbau erfahren. Das gesamte Programm finden Sie hier.
Eine Woche später, am 25. September, feiert Handorf mit dem Handorfer Herbst den Herbstanfang. Auf dem großen Stadtteilfest, das sich über sämtliche Hauptverkehrswege übers ganze Dorf erstreckt, wird es viele Stände geben, zwei Flohmärkte, zahlreiche Aktionen für Kinder und vieles mehr. Hier haben wir ein paar Impressionen der letzten Feste für Sie.
Und weil es in den letzten Wochen so viel Spaß gemacht hat, auf den Viertelfesten mit Ihnen zu plaudern und sich auszutauschen, bauen wir auch bei diesen beiden Veranstaltungen noch einmal unseren RUMS-Pavillon auf. Wir freuen uns, wenn Sie vorbeischauen. Für unsere jüngsten Besucher:innen wird es auch wieder etwas zu gewinnen geben!
Mehr Personal und ein neues Konzept für den Kinderschutz
Es ist gut zwei Jahre her, dass der sogenannte Missbrauchskomplex von Münster bekannt wurde. Anfang Juni 2020 meldete die Polizei, dass sie sieben Beschuldigte festgenommen habe, die Kinder missbraucht oder Beihilfe zum Missbrauch geleistet haben sollten.
Ende 2020 begann am Landgericht Münster der Prozess gegen den Hauptangeklagten Adrian V., der letzten Sommer zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde. Seine Lebensgefährtin muss für fast acht Jahre ins Gefängnis, weil sie spätestens seit 2018 wusste, dass Adrian V. ihren Sohn missbrauchte, und nichts unternahm. Auch weitere Täter wurden schon verurteilt, gegen andere Tatverdächtige laufen noch Verfahren, und die Polizei ermittelt, ob es noch mehr mögliche Täter gibt.
Das ist die eine Seite der Aufarbeitung, die juristische.
Die andere Seite ist die Frage: Was kann man tun, um solche Taten in Zukunft zu verhindern – oder zumindest früher zu entdecken und die Kinder zu schützen, so gut und so früh es irgend möglich ist?
Keine Versäumnisse, aber die Behörden müssen aus dem Fall lernen
Diese Frage beschäftigt das Jugendamt, die Politik und viele andere Verantwortliche in Münster, seit der Missbrauchsfall bekannt geworden ist. Keine drei Wochen nach der ersten Pressemeldung der Polizei beschloss der Stadtrat einen Antrag mit dem Titel „Missbrauchsfall unter die Lupe nehmen und Lehren daraus ziehen“. Zwei Monate später, im August, legte die Stadtverwaltung dem Jugendausschuss dazu einen Bericht vor, in dem sie das Vorhaben bekräftigte (unter dem Link zum Bericht finden Sie als Anlage auch den ursprünglichen Ratsantrag).
Die Lehren, das sollten vor allem Verbesserungen der Jugendarbeit und des Kinderschutzes sein. Die Ratsleute, die den Antrag formuliert hatten, gingen davon aus, dass „die städtischen Behörden kein Fehlverhalten zu verantworten“ hätten. Zu diesem Schluss kam später auch ein Fachgutachten (RUMS-Brief vom 5. Februar 2021): Der Kommunale Sozialdienst in Münster wurde schon 2014 von der Staatsanwaltschaft über eine Anklage gegen Adrian V. informiert, weil dieser Abbildungen von Missbrauchshandlungen (sogenannte Kinderpornographie) besessen und verbreitet hatte. Das Jugendamt sollte klären, ob der damals fünfjährige Sohn der Lebensgefährtin in Gefahr sei. Rückblickend ist klar: Der Junge war in großer Gefahr. Doch das Gutachten kommt zu dem Schluss: Das Jugendamt hat nach den damals geltenden Regeln sorgfältig gearbeitet, diese Regeln hatten aber grundsätzliche strukturelle Schwächen.
Das führt wieder zur Ausgangsfrage: Wie hätten die Behörden das Kind besser schützen können? Und was können sie in Zukunft besser machen?
Mehr Menschen, also mehr Schutz?
Eine Antwort auf die Frage steht jetzt in einem neuen Papier, das der Rat vergangene Woche beschlossen hat und das Vorgaben eines neuen Landesgesetzes umsetzt: Das Jugendamt soll mehr Personal bekommen. Zehn Stellen für den Kommunalen Sozialdienst, also mehr Sozialarbeiter:innen, die direkt mit Familien arbeiten. Und zwei Vollzeitkräfte, die die Zusammenarbeit zwischen den vielen Menschen und Institutionen, die im Kinderschutz eine Rolle spielen, noch besser koordinieren sollen.
Das klingt wie: Viel hilft viel. Mehr Personal, also besserer Schutz, weil mehr Menschen aufpassen können? Nicht ganz. Dahinter steckt vor allem ein neues Konzept, das die Mitarbeiter:innen des Kommunalen Sozialdienstes in einem der fünf Bezirke in Münster seit einigen Monaten ausprobieren.
Mehr Raum und Aufmerksamkeit für Zweifel
Ein Anruf bei Christian Schrapper, Pädagogik-Professor an der Uni Koblenz. Er berät und begleitet die Stadt Münster dabei, den Missbrauchskomplex aufzuarbeiten und die Arbeit des Jugendamtes entsprechend umzustrukturieren; von ihm stammt auch das erwähnte Gutachten. In seinen Unterlagen und in denen der Stadt taucht immer wieder eine Formulierung auf: In der Jugendarbeit fehlte in der Vergangenheit Raum für „Irritation, Zweifel und Verdacht“.
Was ist damit gemeint? Wie und wo sollte das Jugendamt diesen Raum schaffen?
Schon 2014, als Mitarbeiter:innen des Jugendamts zum ersten Mal mit der Lebensgefährtin von Adrian V. sprachen, hatten sie „ein schlechtes Gefühl“, so drückt Christian Schrapper es aus. Eben Zweifel und Irritationen, einen ersten Verdacht. Aber in den Abläufen, nach denen das Jugendamt damals arbeitete, gab es keine klaren Vorgaben, wie mit so einem schlechten Gefühl umzugehen sei. Beziehungsweise: Die Vorgabe lautete, dass ein Gefühl nicht reicht, um etwas zu unternehmen.
Jeder Verdacht trifft auf ein Grundrecht: das Elternrecht
Das gilt heute immer noch. Ein Gefühl ist keine rechtliche Grundlage, um in eine Familie und in das sogenannte Elternrecht einzugreifen, also das Grundrecht der Eltern, ihre Kinder zu versorgen und zu erziehen. Das ist ja auch richtig so. Und dass es nur ein Gefühl, aber keine Belege gab, war auch der Grund dafür, dass ein Familiengericht und eine interdisziplinäre Clearingstelle genauso wenig tun konnten wie das Jugendamt. Wenn Eltern dem Jugendamt den Kontakt zu ihrem Kind verweigern und es keinen Beweis für einen Missbrauch oder Misshandlungen gibt, hat das Jugendamt keine Handhabe.
Aber: Auch wenn ein schlechtes Gefühl keinen Eingriff legitimiert, können Mitarbeiter:innen des Jugendamtes diesem Gefühl trotzdem nachgehen. Sie sollen es sogar. Laut Christian Schrapper gibt es höchstens in jedem fünften Fall von sexualisierter Gewalt gegen Kinder belastbare rechtsmedizinische Belege. In vier von fünf Fällen gibt es zunächst nur einen Verdacht und Anhaltspunkte wie auffälliges Verhalten von Eltern oder Kindern.
Der Eindruck ‚Da stimmt etwas nicht‘ hat deshalb inzwischen mehr Gewicht. Sozialarbeiter:innen können und sollen sich darüber mit Kolleg:innen, Vorgesetzten und Fachleuten in externen Beratungsstellen austauschen. Sie haben einen Anspruch darauf, gehört zu werden und mit anderen darüber zu sprechen, was denn da nicht stimmen könnte und wo man ansetzen sollte, um klarer zu sehen. Im Missbrauchsfall von Münster war das zum Beispiel die Frage: Warum hat die Lebensgefährtin des Haupttäters sich so heftig dagegen gewehrt, dass Mitarbeiter:innen des Jugendamtes mit ihrem Sohn sprechen? Welche Rolle spielten ihre eigene Geschichte und ihre Beziehung zu dem Mann, der wegen Missbrauchsbildern auf seinem Computer angeklagt war? Über so etwas müsse man sprechen, um sich zu sortieren, sagt Schrapper. Und um zu klären: Was davon ist ein berechtigter Hinweis, dem man nachgehen sollte?
Das schlechte Gefühl soll nicht einfach so stehen bleiben
Vor acht Jahren notierten die Fachkräfte des Kommunalen Sozialdienstes zwar in ihren Unterlagen, dass sie Zweifel hatten. Aber dabei blieb es, erklärt Sandra Krome, die Kinderschutzbeauftragte der Stadt Münster, in einem Telefonat. Die Zweifel wurden weder durch weitere Argumente gestützt noch durch andere Beobachtungen widerlegt. Sie blieben einfach stehen.
So etwas soll nicht mehr passieren. In Zweifelsfällen sollen Kolleg:innen deshalb das Recht auf eine sogenannte Tandemfallführung haben, also darauf, einen komplizierteren Fall in einem festen Team gemeinsam zu bearbeiten. Bisher fuhren zwar auch schon mal zwei Fachkräfte zu wichtigen Terminen, aber es arbeitete nur eine von ihnen fest mit der jeweiligen Familie. Gerade bei Fällen sexualisierter oder emotionaler Gewalt sei es aber wichtig, dass zwei Personen alle Gespräche gemeinsam mitbekommen und auf Details achten können. „Solche Fälle sind wie ein großes Puzzle, man muss die Teile erkennen“, sagt Sandra Krome.
Damit die Mitarbeiter:innen des Kommunalen Sozialdienstes einen besseren Blick für solche Puzzleteile haben, haben sie in den letzten Monaten eine Fortbildung zum Thema sexualisierte Gewalt und Täterstrategien besucht. Auch das war eine Lehre aus dem großen Missbrauchsfall: Fachkräfte müssen besser darüber Bescheid wissen, auf welche Anzeichen sie bei Kindern und möglichen Täter:innen achten sollten.
Der Sozialdienst braucht mehr Zeit, also mehr Personal
Mehr Austausch, mehr gemeinsame Termine, das braucht auch mehr Zeit. Das ist eine Erklärung dafür, dass alle Jugendämter in Nordrhein-Westfalen mit mehr Personal ausgestattet werden sollen. Die Kosten für die neuen Stellen trägt übrigens das Land.
Der zweite Grund ist, dass die Fachkräfte in Zukunft anders mit den Familien arbeiten sollen als bisher. Zwei wichtige Stichworte hierfür: „Kinderrechte“ und „Partizipation“. Fangen wir mit dem ersten an.
Um Kinderrechte geht es im Kinderschutz natürlich immer. Aber sie sollen in den Gesprächen mit den Familien stärker in den Mittelpunkt rücken. Das ist nicht nur bei potenziellen Missbrauchsfällen wichtig, sondern etwa auch, wenn Eltern ihr Kind vernachlässigen oder irgendetwas anderes tun oder lassen, das ihm schaden kann.
Kooperation statt Kontrolle
Bisher trafen die Fachkräfte des Kommunalen Sozialdienstes mit Eltern sogenannte Kontrollvereinbarungen, erklärt Sandra Krome. Wenn das Jugendamt das Kindeswohl in Gefahr sah oder ein Bedürfnis erkannte, das die Eltern nicht erfüllten, gaben die Sozialarbeiter:innen bestimmte Ziele vor. Setzten die Eltern diese nicht um, wurde ein Gericht hinzugezogen.
Jetzt sollen solche Gespräche anders ablaufen. Die Fachkräfte des Sozialdienstes stellen nicht die Kontrolle der Eltern in den Vordergrund, sondern die Rechte der Kinder. Sie erklären zum Beispiel, dass jedes Kind das Recht hat, gut versorgt zu sein – also unter anderem jeden Tag ein Schulbrot und im Winter warme Kleidung zu bekommen. Schaffen Eltern es nicht, dafür zu sorgen, sollen die Sozialarbeiter:innen gemeinsam mit ihnen überlegen, wie eine Lösung aussehen könnte und wie sie die Familie dabei konkret unterstützen können.
Manchmal hat ein Elternteil auch eine psychische Erkrankung und kann sich deshalb nicht gut um seine Kinder kümmern. Früher bekam er oder sie dann die Auflage, eine Therapie zu machen. Jetzt erklären die Fachkräfte des Sozialdienstes erst einmal das Recht des Kindes, in einer sicheren Umgebung aufzuwachsen. Und sie bieten den Eltern eine kurzfristige Unterstützung an, erklärt Sandra Krome. Sie arbeiten zum Beispiel eng mit dem Gesundheitsamt zusammen und können schnell einen ersten Termin mit einer Psychiaterin oder einem Therapeuten möglich machen, um zu klären, ob Vater oder Mutter Medikamente brauchen und wie sie die Wartezeit bis zu einem festen Therapieplatz besser überbrücken können.
Solche Hilfen gab es auch früher schon, aber sie werden den Eltern gegenüber jetzt anders begründet. Die Idee ist: Das Jugendamt arbeitet mit den Eltern zusammen dafür, dass es dem Kind gut geht. Erste Erfahrungen zeigen offenbar, dass viele Eltern unter diesen Voraussetzungen besser kooperieren.
Auch die Kinder beteiligen
Am Ende muss natürlich auch jetzt das Ergebnis sein: Die Situation, die dem Kind schadet oder schaden könnte, muss sich ändern, sagt Sandra Krome. Das müsse auch transparent vereinbart werden. Aber die Kontrolle stehe eben nicht mehr im Vordergrund, sondern die Rechte der Kinder. Und hier kommt nun der zweite wichtige Begriff, die Partizipation, also Teilhabe. Damit ist nicht nur die Zusammenarbeit mit den Eltern gemeint, sondern auch die Teilhabe der Kinder. Sie sollen stärker in den Prozess und in Gespräche einbezogen werden, und die Situation so verstehen – die Eltern müssen dem natürlich nach wie vor zustimmen. Was Eltern und Sozialarbeiter:innen besprechen und vereinbaren, soll auch für die Kinder nachvollziehbar sein, das ist ein wichtiges Ziel des neuen Konzepts. Also auch hier: Mehr Gespräche, die natürlich mehr Zeit brauchen.
Und wie ist das in Fällen, in denen der Verdacht besteht, dass ein Kind Gewalt ausgesetzt ist? Auch da sei es gut, den Eltern gegenüber erst einmal weniger auf Konfrontation zu setzen, erklärt Christian Schrapper. Nicht zuletzt, weil das Jugendamt nicht die Aufgabe hat, zu ermitteln, sondern Kinder zu schützen, solange es eben noch keine Beweise gibt. Und dafür müssen die Mitarbeiter:innen möglichst viel Zugang zu dem Kind haben, und auch zu Eltern oder einem Elternteil, die bei Gewalt vielleicht wegschauen. Eine sehr schwierige Aufgabe für die Fachkräfte. Schrapper nennt es „eine Kunst, Eltern im Einzelfall deutlich zu machen, dass man sich nicht einmischen will, sondern dass es darum geht, gemeinsam die Rechte der Kinder zu schützen“. Und diese Situation könne für das Personal gerade bei einem Verdacht auf emotionale oder sexualisierte Gewalt sehr belastend werden – auch deshalb sei es wichtig, dass sich Kolleg:innen austauschen.
Auch hier ist der Fachkräftemangel ein Problem
Der Berechnung des Landes zufolge brauchen die Jugendämter für die neuen Arbeitsstrukturen 15 Prozent mehr Personal als vorher. In Münster sind das zehn Stellen, es wird von knapp 65 auf 75 Vollzeitstellen aufgestockt.
Reicht das?
Mit diesen neuen Planstellen würde schon alles klappen, was man sich vorgenommen habe, sagt Sandra Krome. Aber Planstellen auf dem Papier sind etwas anderes als Fachkräfte, die tatsächlich da sind und arbeiten. Schon jetzt sei es schwierig, die Stellen adäquat zu besetzen, sagt die Kinderschutzbeauftragte. Adäquat heißt in diesem Fall: Ein Teil der Stellen sollte mit Menschen mit einer gewissen Berufserfahrung besetzt werden. Doch es bewerben sich vor allem viele junge Leute, die die erfahreneren Kräfte einarbeiten müssen. Und durch Krankheiten und Schwangerschaften gibt es ohnehin eine starke Fluktuation.
Eigentlich sollte das neue Konzept ab Herbst auch in den anderen Bezirken angewendet werden. Aber die Pilotphase im ersten Bezirk wurde verlängert, um zu schauen, wie Abläufe noch besser organisiert werden können. Man wolle mit dem bestehenden Personal möglichst viel erreichen, gleichzeitig werde man sich um neue Mitarbeiter:innen bemühen, sagt Sandra Krome. (cbu)
+++ Die Stadt Münster hat, wie auch die Kreise im Umland, die Corona-Auffrischungsimpfungen gestoppt, berichtet der WDR. Der Grund ist: Das NRW-Gesundheitsministerium hat rechtliche Bedenken. In hausärztlichen Praxen sind die Auffrischungsimpfungen dagegen schon möglich.
+++ Über tausend Menschen in Münster (1.242) haben nach den Zahlen der Stadt eine Coronainfektion. Gleichzeitig ist in der Stadt seit drei Wochen kein Mensch mehr an oder mit Corona gestorben (Todesfälle bislang: 230). Die Zahl der im Labor bestätigten Coronafälle in Münster ist seit gestern um 157 gestiegen. Vor einem Monat waren es etwa 300. Die Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Menschen innerhalb einer Woche, liegt laut Stadt bei 227,6.
+++ Im Fall einer Frau aus Münster, die von Familienmitgliedern beleidigt, geschlagen und vergewaltigt worden ist, beginnt nun der Prozess. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Stadtbücherei wird saniert und schließt daher ab dem 26. September für zwei Wochen. (Stadt Münster)
+++ Nachdem die Planungen für das Stadthaus 4 auf Eis gelegt worden sind, will Personaldezernent Wolfgang Heuer die Homeoffice-Rate verdoppeln. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Stadt Münster wird bald in einem Pilotprojekt Hygieneartikeln wie Binden und Tampons in Schulen, Jugendzentren oder sozialen Einrichtungen kostenfrei abgeben. (Stadt Münster)
+++ Die Bremer Straße ist in der nächsten Woche von Montag bis Freitag wegen Bauarbeiten gesperrt. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Stadt Münster stellt am 28. September im Jovel die Ergebnisse aus den Dialog-Veranstaltungen zur Planung der drei neuen Stadtquartiere am Dortmund-Ems-Kanal vor. (Stadt Münster)
+++ Eine Vertreterin des Wirtschaftsministeriums hat ein Versprechen gemacht, das zur Folge hätte, dass durch Münster in Zukunft keine Atomtransporte mehr fahren. (WDR)
+++ Das Ratsgymnasium bekommt ein 400 Quadratmeter großes Wandbild, auf dem es um Frieden und Gerechtigkeit geht. (Westfälische Nachrichten)
+++ Auf zwei Ampeln in Münster sollen in Zukunft gleichgeschlechtliche Figuren zu sehen sein. (CDU-Fraktion)
+++ Das Bündnis „FMO-Ausstieg jetzt“ veranstaltet eine Mahnwache und fordert dabei ein Nachtflugverbot und die Einstellung aller Flüge auf Strecken, die weniger als 600 Kilometer lang sind. (Münsterische Volkszeitung)
+++ Die Maxi-Sand-Saison geht zu Ende. (Alles Münster)
+++ Am Weltkindertag (20. September) haben alle Kinder (bis 14 Jahre) in Bussen und Bahnen in ganz Nordrhein-Westfalen freie Fahrt. (Stadtwerke)
Das Hausbrot von Tollkötter besteht zu 70 Prozent Roggen und zu 30 Prozent aus Weizen. Das ist der Klassiker. Unser Tipp: Wenn Sie eine etwas andere Version probieren möchten oder von der Größe der Hausbrot-Viertel überfordert sind, dann testen Sie das Toskanabrot, quasi ein Hausbrot mit Olivenöl. Und wussten Sie, dass Tollkötter seine Brote auch versendet? Das lohnt sich aber eigentlich nur, wenn Sie außerhalb wohnen, denn in der Innenstadt finden Sie mittlerweile fast alle paar Meter eine Filiale.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Eva Strehlke hat heute für Sie in den Veranstaltungskalender geschaut. Das hier sind ihre Empfehlungen:
+++ An der Hammer Straße ist heute „Park(ing) Day“: ein internationaler Aktionstag, der einen Eindruck davon geben will, wie Straßen ohne Autos aussehen. Was es heute bis 20 Uhr noch alles an der Hammer Straße gibt, finden Sie hier oder vor Ort.
+++ In der Ausstellungshalle am Hawerkamp feiert am Samstag ein Projekt Eröffnung, bei dem Skulpturen zu sehen sind, die sich bewegen – eine Performance zur weiblichen Identität, die Tanz mit Fotografie und Malerei verbindet. Infos zur Vernissage am Samstagabend gibt es hier. Der Eintritt ist frei.
+++ Heute Abend startet das B-Side-Festival. Das Motto in diesem Jahr: „Zurück für die Zukunft“. Rund um das Hansaviertel gibt es ein umfangreiches Programm mit Musik, Theater und vielen Aktionen.
+++ Noch ein Festival, aber mehr Vergangenheit als Zukunft: Münster Barock gibt Einblicke in Stadtgeschichte und Musik.
+++ Am Samstag öffnen über 40 gemeinnützige Organisationen in und um Münster ihre Türen und geben am Freiwilligentag Einblick in ihre Arbeit. Das Programm finden Sie hier.
+++ Samstag ist auch „Tag des offenen Weins“ – sechs Münsteraner Weinhandlungen bieten für 5 Euro jeweils drei offene Weine an. Welche das sind, können Sie hier nachsehen. Und wenn Sie Ihre Route schlau planen, ist zwischendurch bestimmt auch noch Platz für eine Pizza bei der True Italian Pizza Week.
+++ Der diesjährige Bürgerbrunch vor dem Schloss ist schon fast ausgebucht, aber ein paar Tische sind noch zu haben, für jeweils 40 Euro. An jedem Tisch haben bis zu acht Personen Platz, Brötchen und Unterhaltung sind inklusive. Den Rest müssen Sie selbst mitbringen. Die Einnahmen der Veranstaltung gehen an drei Projekte für Kinder und Jugendliche: die Königskinder, den Verein sozial-integrativer Projekte und ein eigenes Projekt der Stiftung für ukrainische Flüchtlingskinder.
+++ Für alle, die dieses Wochenende Sport machen wollen, gibt es am Sonntag gleich mehrere Möglichkeiten: Einerseits findet der Ökulluslauf statt. Teams aus einer laufenden und einer radfahrenden Person laufen und fahren 21 Kilometer lang von einer Station zur nächsten, und da gibt es jeweils Essen und Trinken. Online-Anmeldeschluss war schon, mit diesem Formular können Sie sich aber vor Ort noch nachmelden. Alle Infos finden Sie hier.
+++ Beim Run for Rescue am Sonntag können Sie zwischen 9 und 18 Uhr um den Aasee laufen, fahren, gehen oder rollen und wie bei einem Sponsorenlauf Geld für Seenotrettungsorganisationen sammeln oder selbst spenden. Alle Infos gibt’s hier.
Am Dienstag schreibt Ihnen Ralf Heimann. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Herzliche Grüße
Constanze Busch
Mitarbeit: Jan Große Nobis, Ralf Heimann, Eva Strehlke
Lektorat: Eva Strehlke
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PS
Wir haben es Ihnen schon erzählt: Morgen ist Zootag. Das bedeutet: Der Eintritt ist günstiger als sonst. Und falls Sie gedacht haben „Na toll, ich hab eh eine Jahreskarte“, haben wir noch eine interessante Info für Sie: Jahreskarten für den Allwetterzoo gelten am Samstag auch in den NRW-Partnerzoos, zum Beispiel in Rheine und Gelsenkirchen.
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