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Die Kolumne von Mathis Bönte | Die Stunde der Wahrheit
Guten Tag,
wissen Sie, dass Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl ab 2027 schrittweise verboten werden? Wenn sich Verbraucher und Unternehmen nicht darauf einstellen, können Preissteigerungen wie nach Ausbruch des Ukraine-Krieges sie hart treffen. Trotzdem klärt die Politik bislang kaum über den Emissionshandel auf.
Wenn ich andere Menschen frage, was der Emissionshandel ist, verwechseln viele ihn mit der Klimakompensation. Die kennen sie vom Fliegen. Unternehmen verkaufen Zertifikate, mit denen sie bescheinigen, dass als Ausgleich für den Flug an anderer Stelle Emissionen vermieden werden. Auch wenn zweifelhaft ist, inwieweit das stimmt, beruhigen Fluggäste damit das eigene Gewissen, während sie so weitermachen wie bisher.
Der Emissionshandel hingegen zwingt zu Veränderungen. Da versteigert der Staat Zertifikate an Unternehmen. Ohne die dürfen im Verkehrs- und Wärmesektor keine fossilen Brennstoffe verkauft werden. Ab 2027 werden im Emissionshandelssystem EU-ETS2 Jahr für Jahr die Zertifikate reduziert, bis 2044 überhaupt keins mehr ausgegeben wird. So wird schrittweise der Verkauf von Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl verboten.
Schon ab 2027 wird es davon also nicht mehr genug für alle geben. Weil Unternehmen die Zertifikate ersteigern müssen und sie die Kosten an ihre Kunden weitergeben, bekommen nur noch die etwas ab, die am meisten zahlen. Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl werden so für immer mehr Menschen immer häufiger zu teuer – bis sie schließlich niemand mehr kaufen kann.
Vielen Menschen ist das nicht bewusst. Sie machen sich daher keine Gedanken darüber, wie sie von fossilen Brennstoffen loskommen. Und das könnte ein böses Erwachen geben, sobald der EU-ETS2 greift. Wenn sich bis dahin nicht deutlich mehr Menschen umstellen, sondern die Nachfrage weiterhin hoch bleibt, können die Preise stark steigen. Experten rechnen mit ähnlichen Preissteigerungen wie in der Energiekrise 2022.
Bislang hat die Politik es größtenteils versäumt, über den Emissionshandel aufzuklären. Dies gilt für die soeben gescheiterte Bundesregierung mit einem Kanzler an der Spitze, der seiner Führungsverantwortung nicht gerecht wurde. Eine besonders merkwürdige Rolle spielen aber auch CDU, CSU und FDP. Sie bekennen sich zum Emissionshandel als ihr Instrument für den Klimaschutz, informieren aber kaum über dessen Bedeutung für Verbraucher.
Im Gegenteil erwecken sie bei Kampagnen gegen das Verbrennerverbot und das Heizungsgesetz den Eindruck, als sei es für das Klima kein Problem, sich Verbrennerautos und Öl- oder Gasheizungen zu kaufen.
Diese könnten in Zukunft mit sogenannten E-Fuels, also synthetisch hergestellten Kraftstoffen, Wasserstoff oder Bioenergie betrieben werden. Wenig überraschend ist daher, dass der Verkauf von Öl- und Gasheizungen zuletzt boomte und immer noch mehr Menschen Verbrenner- als Elektroautos kaufen.
Vermutlich würden sich viele anders entscheiden, wenn sie über den Emissionshandel Bescheid wüssten. Sie würden sich vor dem Kauf informieren, wenn ihnen klar wäre, dass es schon bald teuer für sie wird, wenn sie die falsche Entscheidung treffen.
Dabei dürften sie herausfinden, dass für ihr Auto in absehbarer Zeit selbst dann nicht genug E-Fuels zur Verfügung stehen, wenn deren Produktion so stark zunimmt wie die der am schnellsten wachsenden Energietechnologie aller Zeiten.
Sie würden erfahren, dass Wasserstoff noch lange knapp sein wird und die eigene Gasheizung damit nur betrieben werden kann, wenn alle Gasheizungen in ihrem Versorgungsgebiet reinen Wasserstoff vertragen. Und dass auch das Potenzial von Bioenergie sehr begrenzt ist.
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Ich bin seit 2019 Klimaaktivist und habe mich viel über die Politik geärgert. Vor allem die klimaschädlichen Kampagnen von CDU, CSU und FDP haben mich wütend gemacht. Ich hatte aber irgendwann das Gefühl, dass ich nicht weiterkomme, wenn ich ihnen deswegen vorwerfe, in Wahrheit keinen Klimaschutz zu wollen. Damit dürfte ich eher den Eindruck verstärkt haben, mit ihnen würde es so weitergehen wie bisher.
Im Frühjahr 2023 habe ich daher einen anderen Weg gewählt und bin in die FDP eingetreten. Seitdem warne ich als der Verrückte aus der FDP vor Verbrennerautos, Öl- und Gasheizungen. Gerne teile ich auch vereinzelte Beiträge aus der CDU, in denen klar steht, dass Benzin und Gas mit dem Emissionshandel immer teurer werden und deshalb vom Kauf einer Gasheizung abgeraten wird.
Auf meine Initiative hin hat die FDP Münster beim letzten Parteitag beschlossen, über den Emissionshandel aufzuklären. Sie hält dies für notwendig, weil viele Menschen nichts von den Preissteigerungen wissen. Wie die Aufklärungskampagne aussehen soll, ist jedoch offen. Mein Vorschlag, einfach zu sagen, dass wir mit dem Emissionshandel Benzin und Gas immer teurer machen, wurde abgelehnt. Er passe nicht zur Kommunikation einer politischen Partei.
Für die CDU Münster hat sich ihr Bundestagsabgeordneter Dr. Stefan Nacke auf eine Anfrage meinerseits geäußert. Er würde Verbrauchern zwar raten, sich den Kauf von Öl- oder Gasheizungen und Verbrennerautos gut zu überlegen. Seine Partei plane jedoch nicht, in größerem Stil über die Bedeutung des Emissionshandels für Verbraucher zu informieren.
Diese Reaktionen zeugen von Angst vor dem Wähler. Der bekennt sich zwar regelmäßig mit großer Mehrheit zum Klimaschutz, will aber auch in Zukunft neue Verbrennerautos und Öl-/Gasheizungen kaufen. Es zeichnet sich daher ab, dass das EU-ETS2 nicht nur Union und FDP, sondern die Gesellschaft insgesamt vor die Wahl stellen wird, mit dem Klimaschutz endlich ernst zu machen – oder sich offen gegen ihn zu entscheiden.
Herzliche Grüße
Ihr Mathis Bönte
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Mathis Bönte
Nachdem er 2018 durch Vorträge und den Hitzesommer für die Klimakrise sensibilisiert wurde, begann Mathis Bönte, sich für „Fridays for Future“ zu engagieren und setzte sich aktiv für die Klimapolitik in Münster ein. Heute verteidigt er bundesweit Aktivist:innen, die auf den Klimanotstand aufmerksam machen wollen. Geboren wurde Bönte 1982 in Herdecke. Studiert und promoviert hat er in Münster. Seit 2020 arbeitet er als Anwalt in der Kanzlei Knecht und Baumann.
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