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Heiße Woche: Ab ins Freibad | Missbrauchsstudie: die Ergebnisse | Töpfern: Clay Room

Guten Tag,
super. Endlich wieder Sommer. Endlich wieder Hitze. Aber hier endet die Euphorie auch schon, denn die Welt hat sich verändert in der Pandemie. Es kommt einem vor, als hätte man jahrelang im Koma gelegen. Wenn man jetzt sonntags aus einer spontanen Laune heraus ins Freibad fährt, dann sagen sie einem dort an der Kasse: „Wir haben leider einen Einlass-Stopp. Buchen Sie sich beim nächsten Mal am besten vorher digital ein Ticket.“ So läuft das im Cabrio-Bad Senden – nur für den Fall, dass Sie am Wochenende spontan ins Freibad möchten. Das geht aber natürlich auch in Hiltrup, Stapelskotten, Sudmühle oder der Coburg. Und jetzt die gute Nachricht: Da ist nach wie vor alles beim Alten. Lange Schlangen vor der Kasse und den Pommesbuden. So, wie man es gern hätte. Und wenn Sie für die nächsten Tage noch Argumente brauchen, hier wären vier: Mittwoch 26 Grad, Donnerstag 24 Grad, Freitag 27 Grad und Samstag 32 Grad. Aber jetzt erst mal zu den Nachrichten.
+++ Die Preise steigen weiter freudig an. Laut neuester Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts wurde diesen Mai alles um 7,9 Prozent teurer als im Mai 2021. Als Hauptursache für die Inflation nennt das Statistische Bundesamt die steigenden Energiepreise, die im Vergleich zum Mai 2021 um satte 38,3 Prozent anzogen. Das macht sich auch hier in Münster bemerkbar: Gestern teilten die Stadtwerke mit, dass sie wieder die Energiepreise anheben. Die Strompreise in der Grundversorgung steigen ab September um 13,7 Prozent auf ungefähr 30 Cent pro Kilowattstunde (bei 1.800 Kilowattstunden Jahresverbrauch), die Gaspreise um 26 Prozent auf 11 Cent pro Kilowattstunde (bei 13.800 Kilowattstunden Jahresverbrauch). Selbstverständlich hat man allen Grund, sich über die dritte Preiserhöhung dieses Jahr zu ärgern. Aber stellen Sie sich nur mal vor, Sie würden in Osnabrück wohnen. Dort würden Sie schon ab August den Stadtwerken 49 Prozent mehr für Strom und 117 Prozent mehr für Gas überweisen. (sfo)
Korrekturhinweis: In einer früheren Version hatten wir an dieser Stelle Links zu einer Website der Stadtwerke Münster verlinkt, auf der man die bisherigen und die neuen Preise miteinander vergleichen konnte. Zumindest dachten wir das. Tatsächlich lässt sich das pauschal nicht ausrechnen, wie uns eine Stadtwerke-Sprecherin im Nachhinein mitteilte.
+++ Das Bündnis „FMO-Ausstieg jetzt!“ sieht in der Studie zur Zukunft des Flughafens Münster/Osnabrück mehrere Mängel und fordert den Rat auf, den Bericht der Stadtverwaltung zurückzuweisen. Die Studie sei zum einen nicht unabhängig und wissenschaftlich: Es sei kein Szenario modelliert worden, das von der Einstellung des gesamten Flugverkehrs ausgehe, genau das sei aber gefordert worden. Außerdem seien Klimawirkungen und Umweltbelastungen nicht berücksichtigt worden, obwohl der Rat das gefordert habe. Die Studie sei zudem mit den übrigen Kommunen nicht ausreichend besprochen worden. Weder der Umwelt- noch der Verkehrsausschuss hätten sich mit der Sache befasst. Auch Umweltverbände seien nicht beteiligt worden, wie es in solchen Angelegenheiten üblich und rechtlich vorgeschrieben sei, schreibt das Bündnis in seiner Mitteilung. (rhe)
In der Auseinandersetzung zwischen den Unikliniken in NRW und ihren Beschäftigten passiert aktuell einiges. Am Freitag veröffentlichten die Unikliniken eine gemeinsame Pressemitteilung, in der sie einen ersten Vorschlag zur Entlastung der Pflege vorstellten: Alle Pflegekräfte, die sich um Patient:innen kümmern, sollen zusätzliche freie Tage bekommen. Die Gewerkschaft Verdi lehnte dieses Angebot noch am selben Tag ab. Es sei eine Mogelpackung und spalte die Belegschaft, heißt es in der Pressemitteilung. Die fünf pauschal festgelegten Tage orientierten sich nicht an der realen Belastung und würden nicht für alle Beschäftigten gelten, sondern nur für Pflegekräfte, die Patient:innen direkt versorgen, kritisiert die Gewerkschaft. Verdi fordert stattdessen „schichtgenaue Mindestbesetzungen für alle Bereiche im Krankenhaus“, und sobald diese nicht eingehalten werden, sollten die Beschäftigten Anspruch auf freie Tage bekommen, fordert die Gewerkschaft.
Am Montag twitterte Notruf NRW, dass die Uniklinik Bonn mit einer einstweiligen Verfügung gegen den dortigen Streik vorgehe. In der ebenfalls am Montag veröffentlichten Pressemitteilung von Verdi heißt es, dass diese rechtlichen Schritte „unter allen sechs Unikliniken abgestimmt“ seien.
Anja Wengenroth von der Uniklinik Münster teilte uns mit, sie kenne die Hintergründe der Entscheidung in Bonn nicht, in Münster seien derzeit keine rechtlichen Schritte gegen den Streik geplant.
Wegen der Klage sind die Beschäftigten aller Unikliniken heute für einen gemeinsamen Streiktag nach Bonn gefahren. Dort wies das Arbeitsgericht heute Mittag die Klage gegen den Streik ab. Laut WDR sehe die Richterin die Streiks als verhältnismäßig an, da es eine Notdienstvereinbarung gebe. Sollte die Uniklinik Bonn kurzfristig Berufung einlegen, landet der Fall am nächsten Dienstag beim Landesgericht Düsseldorf. (ast)

Seit der kreative Ungehorsam auch vor der RUMS-Redaktion gewütet hat (in unseren Räumen tobt er ja schon lange), hoppelt ein weißes Kaninchen unter einem unserer Bürofenster entlang. Das Kaninchen ist ein Sticker, den ein unbekannter Street-Art-Künstler aus Münster dort hingeklebt hat. Mit seinen Zeichnungen will der kreative Ungehorsam unsere Aufmerksamkeit in die Ecken der Stadt lenken, die wir im Alltag nur allzu oft übersehen. Zum Beispiel den Fensterrahmen an der RUMS-Redaktion. Seine Kunst aus Papier und farbiger Tinte ist nicht für die Ewigkeit gemacht. Dieses Foto aber schon.
Die Missbrauchsstudie
Als in der Aula des Schlosses am Montag um Viertel vor zwölf die letzten Fragen der Pressekonferenz gestellt wurden, stand Münsters Bischof Felix Genn schon etwas unruhig unten im Foyer und wartete. Schwarzer Anzug, schwarze Schuhe, dazu eine Maske. Er schaute auf einen Bildschirm, der die Veranstaltungen im Schloss ankündigt. Irgendwann kam Unirektor Johannes Wessels dazu, schüttelte Felix Genn die Hand, sagte: „Moin, moin. Ich hab noch nichts gehört.“ Und der Bischof sagte: „Ich auch nicht.“
Der Historiker Thomas Großbölting hatte das knapp zwei Stunden zuvor in der Aula schon angekündigt. Ein Projektor warf über seinem Kopf eine Folie an die Wand, auf der zwei Bücher zu sehen waren. Ein Sachbuch von Großbölting selbst („Die schuldigen Hirten“). Und ein fast 600 Seiten langes wissenschaftliches Buch mit dem Titel „Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche – Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945“. Ein Team aus vier Historikern und einer Sozialanthropologin hatte sich drei Jahre lang mit Aussagen und Akten aus den Bistumsarchiven beschäftigt. Jetzt stellten sie ihre Ergebnisse vor.
Die Aufmerksamkeit war groß. Vor dem Schloss stand ein WDR-Übertragungswagen, Medienleute aus dem ganzen Land waren gekommen oder hatten sich per Videokonferenz zugeschaltet. In diesem Moment, um Viertel vor zwölf, sollte Thomas Großbölting, der Studienleiter, die Bücher dem Bischof übergeben. Fragen werde Felix Genn nicht beantworten, hieß es vorab. Er kenne die Ergebnisse noch gar nicht.
Es sollte erst gar nicht der Eindruck entstehen, dass die Verbindungen zu eng und die Urteile, vielleicht aus Rücksicht, zu milde sein könnten. Außerdem wollte man die Betroffenen nicht schon wieder vor den Kopf stoßen, wie es in den vergangenen Jahren in Deutschland immer wieder passiert war.
40 Prozent sind Mehrfachtäter
Am Nachmittag vorher hatte das gesamte Forschungsteam – Thomas Großbölting, Bernhard Frings, Klaus Große Kracht, Natalie Powroznik und David Rüschenschmidt – die Ergebnisse 70 Betroffenen vorgestellt. Sie sollten sie als Erste erfahren.
Das wäre beinahe schiefgegangen. Eines der Bücher war irrtümlich vorab an einen Kunden ausgeliefert worden. Der hatte Fotos gemacht und sie an Mitarbeiter des Bistums weitergeleitet. Die wandten sich an Großbölting. Der Verlag konnte Schlimmeres verhindern.
So erfuhr die Öffentlichkeit gestern noch vor dem Bischof, dass zwischen 1945 und 2020 mindestens 183 Priester, zwölf Ordensleute und ein Ständiger Diakon Kinder und Jugendliche, zu drei Vierteln Jungen, sexuell missbraucht haben sollen. Es geht um über vier Prozent aller Geistlichen im Bistum. Über 40 Prozent von ihnen sind mutmaßlich Mehrfachtäter, einige Serientäter.
Großbölting und sein Team haben Fälle untersucht, auf die es Hinweise gibt, das sogenannte Hellfeld. Sie gehen allerdings davon aus, dass das Dunkelfeld acht- bis zehnmal größer ist. 610 Betroffene hat das Forschungsteam identifiziert. Tatsächlich könnten es 5.000 bis 6.000 sein, vielleicht sogar noch mehr. Eine monströse Zahl, die noch etwas monströser wird, wenn man dazu eine andere Zahl stellt: 90 Prozent der Beschuldigten kamen ohne Strafe davon. Wie konnte das passieren?
Die zentrale Verantwortung dafür sieht das Forschungsteam bei den Personalverantwortlichen, vor allem bei den Bischöfen. Noch vor 20 Jahren spielte Münsters Bischof Reinhard Lettmann Fälle von sexuellem Missbrauch als Einzelfälle herunter. Das wies Thomas Großbölting klar zurück.
Die bekannten Tatorte verteilen sich fast gleichmäßig über das südliche Bistumsgebiet, und die Bischöfe waren, so Großbölting, „insgesamt über diese Vorkommnisse durchaus breit informiert“. In 145 bekannten Fällen hätten die Bischöfe persönlich Bescheid gewusst. Die tatsächliche Zahl sei wahrscheinlich auch hier sehr viel höher. Man habe im Verlauf der Forschung festgestellt, dass es in der Bistumsleitung „eine ausgeprägte Präferenz für mündliche Absprachen“ gegeben habe. Und es gab eine noch etwas stärker ausgeprägte Präferenz für das Wohl der eigenen Leute.
Kaum Anzeichen für Empathie und Sorge
Die Studie kommt zu einem für die katholische Kirche vernichtenden Ergebnis. „In den Akten haben wir kaum Anzeichen der Empathie und Sorge für die Betroffenen gefunden. Verantwortung empfanden die Entscheidungsträger des Bistums im Grunde nur für ihre Mitbrüder im priesterlichen Amt, nicht für die Kinder und Jugendlichen, die sich im Vertrauen auf die Güte der Gottesmänner Situationen ausgesetzt haben, welche die Täter in perfider Weise für sich ausnutzten“, schreibt das Autorenteam in seinem Fazit.
Man verlegte Strafprozesse in andere Regionen, damit die Öffentlichkeit davon nichts erfuhr. Man versuchte Strafen zu vereiteln, die Justiz spielte bereitwillig mit. Man versetzte Priester, deren Taten bekannt waren, in andere Städte und gab ihnen so die Möglichkeit, neue Opfer zu finden. Das Buch dokumentiert zwölf Fälle aus dem Bistum, die zeigen, wie die katholische Kirche teils schwer kriminelle Serientäter nicht nur deckte, sondern viele Taten erst möglich machte.
Ein Beispiel dafür ist der Fall des Pädokriminellen Heinz Pottbäcker, der sich in den 1960er-Jahren als Käfer fahrender und Gitarre spielender Priester bei Kindern beliebt machte. Mindestens 21 von ihnen missbrauchte er, wahrscheinlich deutlich mehr. Reinhard Lettmann deckte Pottbäcker über viele Jahre. Als im Jahr 1967 ein Prozess gegen ihn anstand, schickte man den Priester in ein Kloster. Schon ein Jahr nach seiner Verurteilung durfte er wieder in der Seelsorge arbeiten.
Die Studie nennt Pottbäckers Fall einen „Menetekel“, ein Vorzeichen drohenden Unheils. Doch das Unheil war zu dieser Zeit längst in vollem Gange. Dass die sexuelle Revolution für all das verantwortlich sein könnte, wie der emeritierte Papst Benedikt es vor drei Jahren behauptet hatte, weist Thomas Großbölting zurück. Das lasse sich nicht feststellen. „Im Gegenteil, die Anzahl der Taten geht seit Mitte der 60er-Jahre zurück“, sagte er. Dagegen deutet vieles darauf hin, dass die katholische Kirche selbst günstige Voraussetzungen für die Taten geschaffen hat, und zwar gleich mehrfach.
Es war ein Lebensmilieu
Da sind zum einen die gesellschaftliche Bedeutung der Kirche und die Rolle der Priester. „Bis weit in die 1960er-Jahre war der Katholizismus im Münsterland und im Oldenburger Land weit mehr als eine Religion. Es war ein Lebensmilieu: Der Katholizismus durchwebte die gesamte Gesellschaft“, so heißt es in der Studie. Die Kirche selbst habe sich gesehen als „Trägerin der göttlichen Verkündigung damit als alleinige Stifterin des menschlichen Heils (…). Der Schutz der Kirche wurde so zum Selbstzweck.“ Damit wurden nicht diejenigen zur Bedrohung, die den Missbrauch begingen, sondern diejenigen, die ihn benannten.
In seinem Buch „Die schuldigen Hirten“ beschreibt Thomas Großbölting den Fall eines Geistlichen, Ehrenbürger seiner Heimatstadt, nach dem eine Schule benannt werden sollte. Als ein Betroffener öffentlich machte, was der Mann ihm als Kind angetan hatte, schrieb ein Ehepaar einen Leserbrief an die Lokalzeitung. Darin fragt das Paar: „Sind sich die jungen Männer dessen bewusst, was sie ihrer Heimatgemeinde angetan haben?“ Die Wut richtet sich gegen die Betroffenen. Das war Mitte der 1990er-Jahre.
Der Priester vertrat in diesem Milieu in seiner Rolle nicht nur die Kirchengemeinde. „Durch die Weihe erlangt er Anteil an der Vollmacht Jesu und vertritt ihn in persona“, sagte Thomas Großbölting gestern. Dass die Tat eines Priesters kriminell sein könnte, musste den Menschen abwegig erscheinen, vor allem den Kindern. Das gleiche Selbstverständnis der Bischöfe verhinderte, dass man gegen die Priester vorging. „Deshalb stand der Schutz der Institution an erster Stelle, der Schutz des Mitbruders an zweiter“, heißt es in der Studie.
Markenkern: Regulierung von Sexualität
Hinzu kam in dieser Zeit: Kinder gaben Erwachsenen keine Widerworte, einem Priester schon gar nicht. Diese Machtposition nutzten die Geistlichen aus. Und dann ging es auch noch um sexuelle Handlungen – also etwas, über das man ohnehin schwieg. In der Studie steht der Satz: „Es gab keine Sprache für Sexualität.“ Und das war kein Zufall. „Im Laufe der Nachkriegsgeschichte hat sich die katholische Kirche einen Markenkern erarbeitet, nämlich die Regulierung von Sexualität“, sagte Thomas Großbölting. Sexualität galt als etwas Negatives, etwas Unreines – ein Übel, das zur Fortpflanzung notgedrungen stattfinden musste, aber ansonsten nicht vorkommen sollte. Es war mit Scham beladen, ein Tabu. „Ein offenes Sprechen über Sexualität war damit praktisch ausgeschlossen“, sagte Großbölting. Für Pädokriminelle war das ein ideales Klima. Es sei sogar vorgekommen, dass erstaunlich viele Menschen von den Taten gewusst hätten, aber niemand darüber gesprochen habe.
Auch das „katholische Schuldmanagement“ kam den Tätern zugute. Sie konnten ihre Taten beichten. In der Studie heißt es: „So konnten Sünden vergeben werden, ohne dass die Notwendigkeit für den Täter bestand, sich beim Opfer zu entschuldigen, das zugefügte Leid einzugestehen und für eine Entschädigung einzustehen.“ Das habe die Aufarbeitung bis in die Ära Genn hinein verhindert, schreibt das Autorenteam.
Genns Name kommt in der Studie über 200 Mal vor. Als er sein Amt im Jahr 2009 antrat, habe er zwar wichtige Schritte unternommen, um den kirchlichen Umgang mit Missbrauchsfällen im Bistum an das von Rom und der Bischofskonferenz erlassene Regelwerk anzupassen. Aber auch in dieser Zeit sei es zu Vorgängen gekommen, die kritikwürdig gewesen seien, sagte Thomas Großbölting.
Zu sehr Seelsorger, zu wenig Vorgesetzter
Im Mai 2009 habe der damalige Weihbischof und heutige Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck, entschieden, der Missbrauchskommission des Bistums einen Fall nicht vorzulegen. Die beiden übrigen Mitglieder der Kommission hätten also nichts erfahren. Die 25 Jahre alten Vorwürfe seien bis heute nicht vollständig aufgearbeitet worden.
Genn habe in seinen ersten Jahren nach dem Eindruck des Forschungsteams dazu tendiert, Missbrauchstäter, „sofern sie Reue zeigten, kirchenrechtlich nicht immer mit der gebotenen Strenge zu begegnen“. In einem Fall habe Genn auf ein förmliches Verfahren verzichtet, obwohl Rom die Möglichkeit dazu geboten hätte. In zwei anderen Fällen habe er Rom nicht in Kenntnis gesetzt.
„Im Gespräch hat uns Bischof Genn eingeräumt, in seinen ersten Jahren in Münster gegenüber Beschuldigten zu sehr als Seelsorger und zu wenig als Dienstvorgesetzter gehandelt zu haben“, sagte Großbölting.
Das ist rhetorisch geschickt formuliert. Man stellt etwas Positives in den Vordergrund, um das Negative nicht ganz so schlecht aussehen zu lassen. In diesem Fall wäre das alles passiert, weil Genn einen Teil seiner Aufgaben einfach zu gut gemacht hat. Es ist ein Euphemismus, der die eigenen Versäumnisse relativiert.
Es ist, wie immer, nicht alles schwarz-weiß. Thomas Großbölting hob in der Pressekonferenz hervor, dass das Bistum dem Forschungsteam uneingeschränkten Zugriff auf die Archive gewährt habe. Das Team wählte die Akten selbst aus, anders als bei der Studie in Köln. Aber doch bleibt bei Thomas Großböltings Team am Ende der Eindruck haften, dass nicht die Kirche die Triebkraft war. Die Lernprozesse seien „weniger intrinsisch motiviert als von außen erzwungen“ gewesen, sagte Thomas Großbölting. Vieles sei erst möglich geworden, weil die Betroffenen und Medien Druck gemacht hätten.
Verletzungen und Retraumatisierungen
Auch in den vergangenen Jahren habe es Fälle gegeben, die offene Fragen zurückließen. So frage man sich, warum Weihbischof Stefan Zekorn es zuließ, dass ein beschuldigter Priester vor sieben Jahren an einer Firmung mitgewirkt habe, obwohl die Vorwürfe gegen ihn bekannt gewesen seien. „Dass er durch dieses Verhalten Betroffene schützen wollte, wie er uns gegenüber angegeben hat, überzeugt uns nicht“, sagte Großbölting.
Zudem komme es auch weiterhin zu Kommunikationsschwierigkeiten, tiefen Verletzungen und Retraumatisierungen durch das Verhalten kirchlicher Beschäftigter und des Bistums-Führungspersonals.
Als die Pressekonferenz dann endete, erschien Felix Genn neben der Bühne am Rande der Aula, er schüttelte Hände. Sara Wiese und Bernd Theilmann kamen nach vorne, sie vertreten die Betroffenen, auch andere Betroffene mischten sich unter die Medienleute. Genn ging auf die Bühne, ließ sich fotografieren, dankte dem Autorenteam, dann ging er ans Pult, um eine Erklärung zu verlesen.
Genn sagte, der Missbrauch müsse in völliger Unabhängigkeit von der Kirche aufgearbeitet werden. Er sagte: „Ich war und bin Teil des kirchlichen Systems, das sexuellen Missbrauch möglich gemacht hat.“ Und er sagte: „Ich übernehme selbstverständlich die Verantwortung für die Fehler, die ich selbst im Umgang mit sexuellem Missbrauch gemacht habe.“ Das klang schon etwas deutlicher. An diesem Freitag will Genn sich öffentlich dazu äußern, welche Konsequenzen das Bistum aus den Ergebnissen zieht.
Das war bislang der Knackpunkt – in allen Bistümern, die sich mit der Aufarbeitung beschäftigt haben. Ein zentrales Problem sind die Strukturen und Hierarchien, aber an ihnen hat sich bislang kaum etwas geändert. Auch nennenswerte personelle Konsequenzen gab es nicht. Wenn Entschädigungen gezahlt wurden, dann fielen diese in einem Großteil der Fälle beschämend gering aus. Dabei wäre all das wichtig, wenn nicht wieder der Eindruck entstehen soll, dass es am Ende nur darum geht, die Institution und die Amtsträger zu schützen.
Wir sind auf einen Fehler im RUMS-Brief vom 3. Juni aufmerksam gemacht worden: Darin heißt es, die Stadt wolle am Hauptbahnhof 10.000 neue Fahrradstellplätze schaffen. Schön wär’s. In Wahrheit sollen dort insgesamt 10.000 Stellplätze zur Verfügung stehen. Diesen Fehler haben wir korrigiert. (sfo)
Das Coronavirus scheint sich wieder auszubreiten: Laut Robert-Koch-Institut liegt die offizielle Wocheninzidenz in Münster bei 642 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner:innen in den letzten sieben Tagen. Von gestern auf heute hat die Stadt 540 neue Ansteckungen mit dem Coronavirus registriert. Damit sind 2.684 Personen in Münster nachweislich infiziert. Laut Intensivregister werden sechs Coronainfizierte auf Münsters Intensivstationen behandelt, eine:r von ihnen wird beatmet. Seit Beginn der Pandemie sind in Münster 209 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben. (ast)
+++ Ab Sonntag fährt die Bahn über neue ICE-Strecken von Münster nach Köln, Düsseldorf und endlich auch direkt nach Berlin. (Antenne Münster)
+++ Grundschule I: Über die Sommerferien bekommt die Bodelschwinghschule einen Neubau, damit sie dreizügig werden kann. (Stadt Münster)
+++ Grundschule II: Auch die Pleisterschule soll für die Zweizügigkeit einen Neubau bekommen, der aber erst 2023 fertig wird. (Stadt Münster)
+++ Rund einhundert Menschen haben am Samstag vor dem LWL-Landeshaus gegen den sogenannten Frauenkongress demonstriert, den die AfD und rechte Influencer:innen organisiert haben. (Westfälische Nachrichten)
+++ Die Grünen in Münster haben einen neuen Vorstand gewählt. (Grüne Münster)
+++ Oberbürgermeister Markus Lewe hat 22 Menschen aus Münster im Rathaus-Festsaal mit Münster-Nadeln für ihr ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet. (Stadt Münster)
+++ Die Stadt und der ehemalige Wirtschaftsförderer Thomas Robbers haben ihren Rechtsstreit außergerichtlich beigelegt. (Stadt Münster)
Wer in einem neuen Hobby kreativ werden will, kann im Clay Room in der Diepenbrockstraße vorbeischauen. Dort können Sie einzigartige Keramik selbst töpfern und in Kursen von Inhaberin Sina Folwaczny lernen, wie zum Beispiel Vasen, Teller und Tassen gelingen. Von montags bis mittwochs können Neulinge die Grundlagen des Töpferns lernen. Zum „After Breakfast Clay Club“ sind sonntags alle willkommen, die schon ein wenig mit Ton und Töpferscheibe umgehen können. Hier geht es zum gesamten Kursangebot. Die Anmeldung ist online möglich.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Viktoria Pehlke hat die Terminkalender durchforstet. Und diese Tipps hat sie diese Woche für Sie gefunden:
+++ Das „StadtLaborMünster“ lädt ab Donnerstag zum Kompost-Festival ein. Bis zum 25. Juni geht es dort um die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt. Gleich zu Beginn klärt eine Podiumsdiskussion in der Trafostation darüber auf, „was wir vom Kompost lernen können“. Los geht’s am Donnerstag um 18 Uhr. Das ganze Programm des Festivals finden Sie hier.
+++ Die Bürgerinitiative B51 Handorf-Mauritz veranstaltet am Sonntag einen Aktionstag mit dem Thema „Mobilitätswende jetzt!“. Von 14 bis 18 Uhr findet die Informationsveranstaltung an der Kreuzung Warendorfer Straße und Handorfer Straße statt.
+++ Im „Center for Literature” in der Burg Hülshoff startet am Donnerstag das Droste-Festival. Bis Sonntag befassen sich Kunstschaffende und Schreibende mit dem Verhältnis von Stadt und Land. Hier finden Sie das gesamte Programm.
+++ Bei einem Poetry-Slam tragen Dichter:innen selbst verfasste Texte vor – meist sehr lebendig oder einen Hauch satirisch. In der Black Box im Cuba steigt am Donnerstag der Tatwort-Poetry-Slam. Das Programm verspricht eine bunte Mischung aus Persönlichkeiten und Beiträgen. Beginn ist um 20 Uhr in der Achtermannstraße 10-12.
+++ Die belgische Indierock-Band Intergalactic Lovers tritt morgen im Gleis 22 auf. Die Gruppe veröffentlichte im Februar ihr drittes Album „Liquid Love” und tourt derzeit durch ganz Deutschland. Tickets gibt es online, eine musikalische Kostprobe finden Sie hier.
+++ Am Samstag fährt ein Bus durch Münster, an mehreren Stationen spielen lokale Bands. Der Poetry-Slammer Andy Strauß moderiert das Ganze. Die Reihe heißt „littleTEASER“, Tickets gibt es bei „Home.beis“ an der Aegidiistraße 2-3. Wie das enden kann, sehen Sie hier.
+++ Im Speicher II am Hafen gibt es vom 17. bis 19. Juni ein Open House. Die Veranstaltung wird am Freitagabend mit einer Rede und einer Kunstauktion eröffnet. Kunstschaffende führen am Samstag und Sonntag durch die Räume des Atelierhauses. Mehr Infos und Uhrzeiten gibt es hier.
+++ Den Verein Pro Filia haben wir bereits letzte Woche vorgestellt. Er setzt sich für Mädchen in Nepal ein, um sie vor dem Verkauf in die indische Prostitution zu schützen. Den Sommer über bietet der Verein jeden Freitag um 17:30 Uhr eine Yogastunde im Wewerka Pavillon am Aasee an. Mitmachen können Sie gegen eine Spende von fünf Euro.
+++ Noch mehr Musik gibt es morgen ab 19:30 Uhr am Hawerkamp. Im Rahmen des Festivals „Erhaltet den Hawerkamp“ öffnen alle Clubs am Gelände für Ausstellungen, Live-Musik und DJ-Sets für jeden Musikgeschmack. Der Eintritt gilt für das gesamte Gelände und kommt dem Verein zum Erhalt der Einrichtungen zugute. Vorverkaufskarten gibt es im AStA-Haus am Schlossplatz 1 oder online.
+++ Morgen startet außerdem eine Sonderausstellung im LWL-Naturkundemuseum zu einem Thema, das uns alle etwas angeht: zum Klima. Die Ausstellung zeigt einen Überblick über die Erdgeschichte, erläutert den Unterschied zwischen Wetter und Klima und zeigt Lösungen für eine nachhaltige Zukunft auf. Erwachsene zahlen 7,50 Euro an der Eintrittskasse. Alle Infos zur Ausstellung gibt’s hier.
Am Freitag schreibt Ihnen Constanze Busch. Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche.
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Sebastian Fobbe, Jan Große Nobis, Viktoria Pehlke, Antonia Strotmann
Lektorat: Antonia Strotmann
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PS
Eine kleine Posse zum Schluss. In Osnabrück hat der Stadtbaurat beim Stadtwerke-Chef angerufen, um einen Bus zum Flughafen Münster/Osnabrück zu bestellen. Führungskräfte-Seminar. Der gebuchte Reisebus sei nicht gekommen. Natürlich, kein Problem. Der Stadtwerke-Chef zog den Fahrer einer Linie ab und schickte ihn los. Die Neue Osnabrücker Zeitung machte die Sache öffentlich. Danach fielen Wörter wie „Vetternwirtschaft“, die Aufsichtsbehörde sprach von einem Verstoß, allerdings nur von einem kleinen. Etwas ärgerlich für alle: Am Ende war das mit dem bestellten Bus nur ein Missverständnis. Er stand einfach an einer anderen Stelle.
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