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Nächster Versuch | Das Blähparlament | Alles Käse

Guten Tag,
mitten auf der Wolbecker Straße befindet sich seit dem Wochenende eine mit gelben Linien umrandete Verkehrsinsel. Vor der Bar Levin ein paar Meter weiter stehen Sitzgelegenheiten aus Holzpaletten und Palmen in den Parkbuchten am Straßenrand, unter der Eisenbahnbrücke hängen auf beiden Straßenseiten Plakate an der Mauer, auf der einen Seite säumen Zahlen den Weg, auf der anderen Fragen. Und was an solchen Orten normalerweise möglichst nicht passieren sollte, aber dann doch immer passiert, ist hier gewollt und sogar erwünscht: Die Leute sollen die Plakate vollkritzeln, mit Verbindungslinien, Ideen und Antworten, zum Beispiel auf die Frage: „Wie findest du das Reallabor?“ Reallabor, das wissen Sie vielleicht schon, ist der Name des Experiments, das die Stadt hier bis zum Wochenende wagt, und von dem sie sich Erkenntnisse darüber erhofft, wie eine Straße in der Innenstadt in Zukunft aussehen könnte. Die beiden Antworten, die auf dem Plakat an zweiter und dritter Stelle stehen, geben einen Eindruck davon, wie groß das Spektrum der Meinungen zu diesem Experiment ist. An zweiter Stelle steht: „Mega Idee!“ An dritter: „Bekloppte Idee!“
Das große Spektrum zeigt sich auch in den Reaktionen der Parteien auf die Verkehrsversuche generell. Die Grünen sehen „große Zustimmung“, so steht es in einer Pressemitteilung. Und damit meinen sie das Ergebnis einer Umfrage an ihrem Stand beim Parking Day auf der Warendorfer Straße am Freitag. Dort sollten die Menschen mithilfe von roten, gelben oder grünen Klebepunkten bewerten, was sie von den Verkehrsversuchen halten. Das hätte die gelbe FDP vor eine schwere Entscheidung gestellt. Sie hätten womöglich die roten Punkte wählen müssen, denn in ihrer Pressemitteilung steht unter anderem: „Die Zwischenbilanz (…) ist eher durchwachsen.“ Das liegt in diesem Fall unter anderem daran, dass die Partei es für unverhältnismäßig hält, zwei Buslinien an der Hörsterstraße umzuleiten. Dazu fahren die Autos auf den letzten Metern doch über die eigentlich autofreie Hörsterstraße, weil die Abzweigung zur Stiftsherrenstraße weiter offen ist. Auch das kritisiert die Partei. Außerdem müsse man auch an die Menschen denken, die zur Arbeit pendeln und für die das Fahrrad keine Alternative sei. Und das ist noch nicht alles. Die FDP hat Zweifel daran, ob sich die Promenadenvorfahrt auf der Kanalstraße auf die übrigen Promenadenkreuzungen übertragen lässt. Dort habe man großen Aufwand betrieben, um alles abzusichern, und dann sei doch ein Unfall passiert.
Zeigen, wie es sein könnte
Es ist alles nicht ganz eindeutig. Der Unfall an der Kanalstraße etwa passierte, weil eine Autofahrerin nicht aufpasste. Lag das wirklich an dem Verkehrsversuch? Oder war die Frau einfach unaufmerksam? Hätte sich der Zusammenstoß durch bessere Markierungen verhindern lassen? Geht es hier lediglich um ein Problem in einer Übergangsphase? Oder darf man die Verkehrsregeln an so markanten Stellen generell nicht verändern, weil die Menschen sich an sie gewöhnt haben? Und wie könnte eine Lösung aussehen, die nicht lautet: Wir machen alles wieder so wie bisher?
An der Wolbecker Straße sollen Fragen in dieser Woche nicht per Pressemitteilung, sondern gleich vor Ort diskutiert werden – möglichst bevor etwas passiert. Neu ist, dass die Fachleute der Stadt die Menschen hier nicht nur beteiligen, indem sie bei einer zweistündigen Versammlung am Abend Fragen zulassen und anschließend wieder im Stadthaus verschwinden. Sie suchen Gespräche, den Austausch. Bis Freitag stehen sie täglich zwischen 12 und 14 Uhr auf dem Stand neben dem Rewe-Supermarkt, um zu erklären und zuzuhören. Und sie zeigen hier eine Woche lang, wie es sein könnte.
Am Montagnachmittag kriechen die Autos im Schritttempo vorbei an dem Parkplatz. Auf der Straße kleben Markierungen, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Es ist ruhiger, leiser, langsamer, es könnte fast ein Sonntag sein. Aber finden das auch wirklich alle besser?
In dieser Frage gehen die Meinungen weit auseinander. Auf der Facebookseite der Westfälischen Nachrichten schreibt jemand unter einem Beitrag zum Thema: „Als Anwohner lade ich alle ein, sich die Wolbecker Straße einmal anzusehen. Das Maß an Chaos ist nicht mehr zu überbieten.“
Neue Ideen und alte Ängste
Fragt man den Architekten Jan Kampshoff, der mit seinem Büro an dem Projekt Reallabor mitarbeitet und der hier am Sonntag auf dem Parkplatz eine Diskussion moderiert hat, dann klingt das natürlich etwas anders. „Die meisten sind schon begeistert“, sagt er. Aber auch ihm sei aufgefallen, dass dieser Versuch bei den Menschen ganz unterschiedliche Impulse auslöst. Am Sonntag saß in der Runde ein Mann, der bei einem Handwerksbetrieb an der Wolbecker Straße arbeitet, er machte sich Sorgen um Parkplätze. Andere machen sich Gedanken über den Pendelverkehr, über logistische Fragen, neue Möglichkeiten, gefährliche Stellen, Verbesserungsvorschläge, die Unfallgefahr oder darüber, was die Veränderungen für alte Menschen bedeuten. Das Spektrum ist auch hier so groß wie auf dem Plakat unter der Brücke.
Und wahrscheinlich ist das etwas, das in dieser Woche ebenso wichtig wird wie die Begeisterung und die neuen Ideen: die Widerstände, die Ängste, die Probleme. Man wird Fragen stellen, und vielleicht kann man auch manchmal Antworten geben. Jan Kampshoff erzählt, wie sie am Sonntagnachmittag über die älteren Menschen sprachen, für die sich vieles verändert und die man mit hippen Foren auch nur sehr schwer erreicht. In der Runde habe jemand von einem Verein aus dem Viertel gesessen, der sich mit der Situation dieser Menschen schon beschäftigt hatte. Oft mache man sich Gedanken darüber, was das für diese Menschen bedeute, wenn sie ihr Auto nicht mehr direkt vor dem Haus parken können. Eine überraschende Erkenntnis sei gewesen: Viele von ihnen haben gar keine Auto.
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Wie Bayern Münster bei der Wahl helfen könnten
Am Montagmorgen ging ein Wort durch die Nachrichten, das man in den vergangenen Jahren öfter gehört hat, das dann aber immer wieder schnell verschwand. Es lautet: Wahlrechtsreform. Der Bundestag könnte bei der Wahl am Sonntag so groß werden wie noch nie, und das hätte unter Umständen auch Folgen für Münster.
Aktuell sitzen 709 Abgeordnete im Parlament. Im äußersten Fall wären es nach der Wahl knapp tausend, obwohl eigentlich nur 598 Sitze vorgesehen sind. Der Wahlrechtsexperte Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung hat einen Simulator entwickelt, der die Zahl der Sitze in unterschiedlichen Szenarien berechnet. Nach den Ergebnissen der Umfragen von gestern hätte das Parlament im Maximalfall eine Größe von 906 Sitzen.
Möglich wäre das, weil das deutsche Wahlrecht Prinzipien vereinigt, die sich nur schwer miteinander verbinden lassen: das Mehrheitswahlrecht und das Verhältniswahlrecht. Aus diesem Grund gibt es bei der Bundestagswahl eine Erststimme und eine Zweitstimme. Und jetzt machen wir einen kleinen Exkurs ins Wahlrecht. Aber keine Sorge, so schlimm wird es nicht.
Es ist nämlich so: Nach dem Mehrheitswahlrecht gewinnt die Person eine Wahl, die am meisten Stimmen auf sich vereint. Nach dem Verhältniswahlrecht entscheidet der Anteil der Stimmen darüber, wie viele Sitze eine Partei im Parlament bekommt.
Hätten wir nur die Erststimme, also würden wir nur nach dem Mehrheitswahlrecht eine Person wählen, könnte es passieren, dass eine Partei in Deutschland 49 Prozent aller Stimmen bekommt, aber keinen einzigen Sitz im Parlament. Denn in jedem einzelnen Wahlkreis gilt das Prinzip: The winner takes it all.
Hätten wir dagegen nur die Zweitstimme, also würden wir nur Parteien wählen, könnte es passieren, dass ganze Regionen im Parlament nicht vertreten wären, andere dagegen mit überproportional vielen Abgeordneten. Die räumliche Verteilung der Mandate lässt sich auf diese Weise schlecht steuern.
Die Erststimme stellt also sicher, dass für jede Region mindestens eine Person im Parlament sitzt. Die Zweitstimme garantiert, dass die Stimmen für die unterlegenen Parteien nicht unter den Tisch fallen.
Ein großes Parlament muss nicht schlecht sein
Die Hälfte der 598 Sitze im Bundestag werden nach dem Mehrheitswahlrecht (Erststimme) vergeben, die andere Hälfte nach dem Verhältniswahlrecht (Zweitstimme). Aber auch so kann es immer noch passieren, dass eine Partei so gut wie alle Wahlkreise abräumt und die übrigen Parteien gar nicht zum Zuge kommen. Wie löst man das? Man sorgt für einen Ausgleich.
Ein Extrembeispiel: Eine Partei gewinnt alle 299 Wahlkreise mit der Erststimme, bekommt aber nur 20 Prozent der Zweitstimmen. Dann ist die Zweitstimme maßgeblich. „Eine Partei, die ein Fünftel der Zweitstimmen bekommt, wird am Ende auch nur ein Fünftel der Sitze haben“, sagt Norbert Kersting, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Münster. Alle Mandate, die diese Partei über ihr prozentuales Ergebnis hinaus gewinnt, nennt man Überhangmandate. Für diese Sitze bekommen die übrigen Parteien einen Ausgleich, damit die Zweitstimmen-Ergebnisse im richtigen Verhältnis bleiben. Und wenn alle Parteien mehr Sitze bekommen als vorgesehen, wird das Parlament größer.
Norbert Kersting hält das zunächst für unproblematisch. „So repräsentieren einzelne Abgeordnete eine kleinere Bevölkerungsgruppe, und es können aus einem Wahlkreis eher mehrere Personen ins Parlament kommen“, sagt er. Damit wären die Regionen besser vertreten. Aber ein großes Parlament ist auch schwer zu organisieren und teuer.“ Außerdem wird es in Berlin langsam eng. Es bräuchte neue Büros, auch die Kapazitäten im Plenarsaal und den Sitzungsräumen sind begrenzt. Und nun noch ein kleiner Schlenker, dann sind wir gleich in Münster.
Union verhindert Wahlrechtsreform
Der Schlenker führt über Bayern. Die CSU hat dort bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2017 alle 46 Wahlkreise gewonnen. Das ist zum einen komfortabel, weil die Partei auf diese Weise sehr viele Abgeordnete nach Berlin schicken kann. Außerdem bekommen die übrigen Parteien für die ersten drei Überhangmandate keinen Ausgleich. Diese Vorteile möchte die CSU unter keinen Umständen verlieren. Der Widerstand aus Bayern ist einer der entscheidenden Gründe dafür, dass es seit Jahren nicht zu einer konsequenten Wahlrechtsreform kommt, die nötig wäre, um das Parlament zu verkleinern.
Für Münster könnte diese Situation von Vorteil sein, denn der Ausgleich findet nicht nur zwischen den Parteien statt, sondern auch zwischen den Bundesländern. Der Anteil der Sitze eines Landes im Bundestag entspricht dem Anteil seiner Bevölkerung. Und wenn Bayern durch Ausgleichsmandate mehr Gewicht im Bundestag bekommt, dann bekommt auch Nordrhein-Westfalen mehr.
Diese Regel könnte Stefan Nacke, den CDU-Kandidaten für Münster, am Ende in den Bundestag hieven, falls er den Wahlkreis verlieren sollte. Und das ist durchaus möglich. Die Westfälischen Nachrichten haben am Samstag das Ergebnis des Münster-Barometers veröffentlicht, einer repräsentativen Umfrage der Zeitung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziologie der Uni Münster. Danach ergibt sich eine Situation, die sehr viel spannender nicht sein könnte: Svenja Schulze (SPD), Maria Klein-Schmeink (Grüne) und Stefan Nacke haben dem Ergebnis nach in etwa die gleiche Chance, am Sonntag zu gewinnen. In der Umfrage erreichen sie alle genau 30 Prozent.
Für Nacke kann es knapp werden
Svenja Schulze und Maria Klein-Schmeink müssten sich auch im Falle einer Niederlage keine Sorgen um ihr Mandat machen. Schulze steht auf Platz 2 der Landesliste ihrer Partei, Klein-Schmeink auf Platz 7. Stefan Nacke dagegen könnte unter normalen Umständen nicht auf die Liste hoffen. Er hat nur Platz 18 bekommen. Und nach einer Prognose aus dem August könnte es passieren, dass nicht einmal Armin Laschet auf Platz 1 der CDU-Landesliste ins Parlament einzieht. Andererseits: Würde der Bundestag auf 900 Sitze wachsen, stünden Nordrhein-Westfalen davon etwa 180 zu. Wenn die CDU es in NRW auf den letzten Metern doch noch auf 30 Prozent schafft, wären das 54 Sitze. Und dann hängt alles noch davon ab, wie viele Direktmandate die CDU holt – im Land und auch im Bund, es ist alles sehr kompliziert. Beim letzten Mal gewann die CDU in Nordrhein-Westfalen 38 von 64 Wahlkreisen, diesmal müssten es weniger sein, damit Nackes Chancen steigen.
Das sind hypothetische Berechnungen, und es kann alles auch ganz anders kommen. Nach den aktuellen Umfragen sehr unwahrscheinlich ist aber, dass Klaus Kretzer von der FDP (Listenplatz 36), Kira Sawilla von der Linken (kein Listenplatz) oder Helmut Birke von der AfD (kein Listenplatz) den Sprung ins Parlament schaffen werden. Die übrigen Parteien haben schlechte Chancen, es über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen. Und in dem Fall stellen sie nur dann Abgeordnete, wenn diese einen Wahlkreis gewinnen.
Zu alldem kommen Faktoren, die das Ergebnis auch für die größeren Parteien schwer abschätzbar machen. Eine kleine Änderung im Wahlrecht hat es zum Beispiel doch gegeben.
Überhangmandate in einem Bundesland werden in diesem Jahr zum ersten Mal mit den Listen der anderen Länder verrechnet. Das bedeutet: Wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen (Überhangmandate), kann es passieren, dass in einem anderen Land weniger über die Liste hineinkommen. Was genau das im Ergebnis bedeutet, ist heute noch nicht zu sagen. Was sich aber sagen lässt: Wenn es irgendwen trifft, dann wohl am härtesten die Union.
Der Wahlkompass
Haben Sie sich schon entschieden, wen Sie am Sonntag wählen werden? Nein? Dann probieren Sie doch den Wahlkompass aus, den RUMS zusammen mit der Uni Münster anbietet. Falls Sie noch nicht wissen, wie es funktioniert: Mit dem Wahlkompass für Münster können Sie herausfinden, welche Kandidatin oder welcher Kandidat Ihrem politischen Standpunkt am nächsten steht. Hier geht es um die Erststimme. Mit welcher Partei die Übereinstimmungen am größten sind, das finden Sie mit dem bundesweiten Wahlkompass heraus.
+++ Eine traurige Nachricht. Der Straßenmusiker Onkel Willi ist tot. Er hatte über Jahre einen festen Platz vor dem Rathaus am Prinzipalmarkt, links neben dem Eingang. Dort spielte er vor sechs Jahren sein letztes Konzert. Im gleichen Jahr nahm er sein erstes professionelles Video auf. Vor drei Jahren erschien ein 20-minütiges Porträt von Simon Jöcker, an dem Onkel Willi noch einmal an den Ort zurückkehrt, an dem er über 20 Jahre lang Musik gemacht hatte. Zuletzt litt er unter einer Lungenkrankheit und lebte in einem Pflegeheim. Mach’s gut, Onkel Willi. Du wirst uns fehlen.
+++ Münster hat eine neue Partnerstadt. Der Name ist nicht ganz so überraschend, es ist Enschede. Man kennt sich schon länger. Und beschlossen ist die Partnerschaft auch schon seit dem vergangenen Jahr. Heute Morgen hat Enschedes Bürgermeister Onno van Veldhuizen in Münster die Partnerschaftsurkunde unterzeichnet, sich ins Goldene Buch der Stadt eingetragen und aus dem Goldenen Hahn getrunken. In der Pressemitteilung der Stadt Münster steht der Satz: „Enschede gilt als die deutscheste Stadt der Niederlande.“ Das wirft die Frage auf: Sind die Radwege in Enschede wirklich so schlecht? Die Niederländer haben bislang noch per Pressemitteilung zurückgeschossen. Formulierungsvorschlag von uns: „Unsere neue Partnerstadt Münster, nach Osnabrück und Bielefeld die schönste Stadt im Großraum Westfalen.“
+++ Das Rathausbündnis aus Grünen, SPD und Volt will beim Klimaschutz in Münster etwas mehr Tempo machen. In einem dreiseitigen Antrag schlagen die Parteien eine ganze Liste von Ergänzungen zu den Vorschlägen vor, die die Stadtverwaltung zur Klimastudie gemacht hat, mit der wir uns im RUMS-Brief am Freitag beschäftigt haben. Unter anderem planen die Parteien einen sogenannten Klimarelevanz-Indikator für alle politische Entscheidungen sowie eine Klimaschutz-Leitlinie für Bauprojekte. Sie wollen etwas unternehmen, um den Autoverkehr in der Innenstadt und den Ortskernen der Stadtteile zu reduzieren. Bis zum nächsten Jahr sollen Domplatz, Pferdegasse und Königsstraße wie geplant autofrei werden. Parktickets sollen eine Klimapauschale enthalten, mit der die Stadt Projekte zur Verkehrswende finanzieren will. Viele steht schon im Koalitionsvertrag. Bustickets sollen günstiger werden, Busse sollen eigene Spuren auf den Ausfallstraßen bekommen, sie sollen in einem höheren Takt fahren. Und der Ausbau der Velorouten und des Fahrradstraßennetzes soll etwas schneller geschehen. Dazu gibt es noch eine ganze Reihe an Vorschlägen, die nun erst mal auf die Ablage Prüfung kommen. In der Begründung des Rathausbündnisses heißt es, die Kürze der verbleibenden Zeit verpflichte dazu, schneller zu handeln. Dabei sollen genaue Zeit- und Finanzpläne. Und die Stadt soll sich überlegen, wie es gelingen kann, die Menschen dazu zu bewegen, sich mehr zu beteiligen. Das soll in einem Kommunikationskonzept stehen. Das Bündnis hat den Antrag heute Abend im Umweltausschuss eingebracht. Entschieden worden ist aber heute noch nichts.
Georg Hünnekens hat uns zum RUMS-Brief vom 10. September geschrieben. Genauer gesagt zu unserer Kritik an den Westfälischen Nachrichten, weil die Zeitung nicht über das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts zum Hambacher Forst berichtet hatte. Das Gericht hatte entschieden, dass die Räumung des Protestcamps vor drei Jahren rechtswidrig war. Georg Hünnekens weist darauf hin, dass vorher unter anderem das Verwaltungsgericht Aachen anders entschieden hatte und dass die früheren Urteile in der überregionalen Berichterstattung nicht erwähnt wurden. Hier geht es zu seinem Leserbrief.
Korrekturhinweis:
Der Link zum Leserbrief führte ursprünglich leider zum falschen Leserbrief. Wir haben das korrigiert.
Eine gute Nachricht für alle Familien mit jüngeren Kindern: Es sieht danach aus, dass es bald einen Corona-Impfstoff für Fünf- bis Elfjährige geben wird. Die Hersteller Biontech und Pfizer melden, dass sie ihren Impfstoff an die jüngere Altersgruppe angepasst haben und er sich als gut verträglich erwiesen hat. Und das Wichtigste: Auch bei Kindern soll der Impfstoff gut wirken. Schon Anfang 2022 könnte er zugelassen werden. Und noch schnell der Blick auf die Werte in Münster: Die Wocheninzidenz wird heute mit 49,3 angegeben. 325 Menschen in der Stadt gelten als infiziert. In den Krankenhäusern werden 15 Corona-Patient:innen behandelt, sieben von ihnen auf der Intensivstation. Sechs Menschen müssen beatmet werden.
Vor ein paar Wochen habe ich Ihnen den Hofladen des Auenhofs empfohlen, wo Sie unter anderem lokal hergestellten Käse kaufen können. Und genau den könnten Sie morgen Abend im Restaurant 1648 probieren, dazu gibt es ein Glas Wein und einen schönen Ausblick über die Stadt. Hier können Sie Plätze für „Alles Käse“ reservieren. Und falls Sie morgen schon etwas vorhaben: Es gibt im 1648 noch mehr schöne Veranstaltungen.
+++ Wo wir nun heute so viel über Politik gesprochen haben, möchte ich Ihnen auch noch eine Dokumentation empfehlen, die gestern Abend im Fernsehen lief und die jetzt in der ARD-Mediathek zu finden ist. Sie heißt: „Wege zur Macht. Deutschlands Entscheidungsjahr“. Und damit ist der Inhalt schon sehr gut beschrieben. Der Autor des 75-minütigen Films ist Stephan Lamby, dessen Dokumentationen unter anderem deshalb so hervorragend sind, weil er ganz ausgezeichnete Interviews führt, in denen nicht aggressiv nachfragt, sondern immer sehr freundlich bleibt, und so Antworten bekommt, die deutlicher kaum sein könnten, indem er die Situation wirken lässt. In dieser Szene sehr schön zu sehen. Und wenn Ihnen der Name bekannt vorkommt, aber im Moment nichts sagt: Stephan Lamby hat zusammen mit Klaus Brinkbäumer ein Buch über den Zustand der Demokratie in den USA geschrieben und einen Film gemacht.
+++ Wahrscheinlich haben Sie noch nie das jüdische Laubhüttenfest gefeiert. In dieser Woche hätten Sie die Gelegenheit dazu, und zwar im Innenhof des Landeshauses. Die jüdische Gemeinde Münster und die LWL-Kulturstiftung laden dort zu Veranstaltungen ein, zum Beispiel zu einem interkulturellen Poetry Slam. Hier finden Sie das Programm und einen Link, über den Sie direkt Ihre Karte reservieren können.
+++ Am Freitag hatten wir Sie hier auf das Afrika-Filmfestival im Schlosstheater hingewiesen. Hier dazu noch eine Ergänzung, gleichzeitig gibt es nämlich auch noch das Schaufensterkino. Zehn Filme können Sie sich in verschiedenen Schaufenstern in der Stadt anschauen, den Ton empfangen Sie über ein tragbares Radio oder Ihr Smartphone. Was es wo zu sehen gibt, lesen Sie hier.
+++ Die Fridays-for-Future-Bewegung plant an diesem Freitag etwas Großes: Kundgebungen in über 400 Städten, auch in Münster. Wenn Sie dabei sein möchten: Die Demo beginnt um 15 Uhr vor dem Hauptbahnhof und endet dann später nach einem verschlungenen Weg durch die Stadt vor dem Schloss.
Am Freitag schreibt Ihnen wieder Constanze Busch. Haben Sie bis dahin eine gute Woche.
Herzliche Grüße
Ralf Heimann
Mitarbeit: Constanze Busch, Eva Strehlke
PS
Henning Stoffers, der auf seiner Website ganz wunderbare Texte über Münsters Geschichte schreibt, hat wieder einen ganz wunderbaren Text über Münsters Geschichte geschrieben. Diesmal geht es um Urlaub und Freizeit, ein Phänomen, das so lange noch gar nicht für alle verfügbar ist. Im Jahr 1903 hatte man, wenn man in einer Brauerei arbeitete, drei Tage Jahresurlaub, schreibt Stoffers. Das änderte sich dann einige Jahre später und damit auch das Freizeitangebot. Henning Stoffers erzählt das alles auf eine sehr leicht zugängliche Weise. Und ganz fantastisch sind auch die Fotos in dem Beitrag, vor allem die Postkarte vom Ausflugslokal im Boniburger Wald und das Bild vom jungen Steffi Stephan neben dem jungen Udo Lindenberg. Ach, schauen Sie es sich einfach an.
PPS
Vor einem Jahr haben wir mit RUMS den Netzwende-Award gewonnen. Es war unser erster Preis, und es war nach einem schwierigen Start unter schlechten Bedingungen mit vielen Unsicherheiten mitten in der Pandemie eine sehr schöne Anerkennung. In diesem Jahr sitzt unser Mitgründer Marc-Stefan Andres in der Jury des Preises. Und wenn Sie ein Medienprojekt kennen, das Ihrer Meinung nach einen Preis für nachhaltige Innovation im Journalismus verdient hat, dann schlagen Sie es auf dieser Seite sehr gerne vor.
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