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Keine rituelle Gewalt in der Kirche | Unbezahlte Werbung: Münsteraner Verlag mit Nobelpreisträgern | RUMS 6 Monate für 1 Euro lesen!

Guten Tag,
es gibt keine belastbaren Hinweise auf Täternetzwerke ritueller Gewalt in der Kirche – das bestätigt eine neue Untersuchung einer Kölner Kanzlei, die unter anderem vom Bistum Münster beauftragt wurde. Später schlossen sich weitere Bistümer an.
Mein Kollege Sebastian Fobbe hat über rituelle Gewalt schon oft geschrieben (hier, hier oder hier zum Beispiel). Auch er zweifelt rituelle Gewalt an. Denn rituelle Gewalt deckt einen sehr weit gefassten Bereich an Fällen ab. Kritiker:innen sagen schon lange, der Begriff sei aufgrund seiner Unschärfe anfällig für Verschwörungstheorien. Belegbare und bewiesene Fälle gibt es nicht.
Zum gleichen Ergebnis kommt auch die Kanzlei in ihrer Untersuchung. Beauftragt wurden die Juristen im April 2024 vom Bistum, nachdem seit 2023 vermehrt Anträge auf „Anerkennung des Leids“ eingegangen waren. In diesen Anträgen hatten Betroffene unter anderem behauptet, hohe kirchliche Funktionsträger seien Teil geheimer Gruppen, die schwere sexualisierte und rituelle Gewalt ausgeübt hätten. Dazu zählten zahlreiche Kardinäle und etliche Bischöfe, wie beispielsweise der bereits verstorbene Reinhard Lettmann aus dem Bistum Münster.
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Die Kanzlei fand keinen einzigen überprüfbaren Sachverhalt, der die Existenz solcher Netzwerke oder ritueller Praktiken im kirchlichen Kontext stützt. Zwar gebe es zweifellos Menschen, die durch kirchliche Amtsträger schweres Leid erfahren haben – das stehe außer Frage. Doch die spezifischen Vorwürfe, die von ritueller Gewalt und organisierten Strukturen sprechen, ließen sich in keinem Fall belegen.
Interessant ist der Blick auf die Herkunft vieler Vorwürfe, schreiben die Juristen in ihrem 166-Seiten-langem Untersuchungsbericht: Sie stammen aus therapeutischen Kontexten, in denen Betroffene sich oft erst im Laufe von Behandlungen an Missbrauchsereignisse erinnert hätten. Die Untersuchung spricht hier von „erheblichen Anhaltspunkten für Erinnerungsverfälschung“ durch die Therapeut:innen. Psychologische Gutachten bestätigen das.
Eine der zentralen Empfehlungen der Untersuchung: Vorwürfe ritueller Gewalt sollten sorgfältiger geprüft werden. Denn bevor die Betroffenen bei den Therapeut:innen gelandet sind, wurden sie bereits durch mehrere Ansprechpartner:innen im Bistum als „plausibel“ eingestuft. Das war zusätzlich problematisch, da die Betroffenen insgesamt nur weiter geschädigt wurden und ihnen nicht angemessen geholfen wurde. Immer wieder sei die „Rituelle-Gewalt-Theorie“ von kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten propagiert worden.
Viele Betroffene hatten sich an die Beratungsstelle vom Bistum Münster gewandt. Die wurde 2023 allerdings geschlossen – viel zu spät, wie es in der Untersuchung steht. Denn sie sei ein entscheidender Faktor in der Verbreitung und Festsetzung der „Rituelle-Gewalt-Theorie“ gewesen – ebenso wie der Arbeitskreis „Rituelle Gewalt“ der Bistümer Osnabrück, Münster und Essen.
In einer Pressemitteilung zur gestern veröffentlichten Untersuchung zeigt sich Klaus Winterkamp als Vertreter des Bistums Münster einsichtig: „Wir stellen uns unserer Verantwortung für diese Menschen und möchten versuchen, ihnen über professionelle Therapie-Angebote wirklich zu helfen.“ Auch hätte das Netz, das zur Verbreitung der Theorie beigetragen hat, früher aufgelöst werden müssen.
Aus jetziger Sicht mag das einfach zu sagen sein, denn die Geistlichen des Bistums werden durch die Untersuchung entlastet. Was die Untersuchung aber auch bestätigt: Viele Betroffene litten unter schweren psychischen Belastungen, multiplen Persönlichkeitsstörungen oder jahrelangen Flashbacks.
Wie damit in therapeutischer Behandlung angemessen umgegangen wird, um die „Rituelle-Gewalt-Theorie“ nicht mehr zu befeuern, daran will das Bistum jetzt noch intensiver arbeiten. (ani)

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+++ An der Wolbecker Straße erinnert nun ein Stolperstein an Paul Dübe, der von den Nationalsozialisten zwangssterilisiert und 1943 ermordet wurde. (Westfälische Nachrichten)
+++ Wegen eines giftigen Chemieunfalls in der Corrensstraße mussten heute morgen rund 200 Menschen über mehrere Stunden aus dem FH-Gebäude evakuiert werden. (WDR)
+++ Das Stadtarchiv erinnert am Samstag mit einer Gedenkveranstaltung an den früheren Integrationsratsvorsitzenden Spiros Marinos und würdigt sein Engagement für politische Teilhabe in Münster. (Münstertube)
+++ Nach der propalästinensischen Demo am Dienstag ermittelt die Polizei wegen mehrerer Straftaten, nachdem Redner den Hamas-Angriff auf Israel befürwortet hatten. (Westfälische Nachrichten)
+++ An der Spinne sind ab Freitagabend beide Rampen zur Weseler Straße gesperrt, sodass Autofahrer:innen über Münster-Süd umgeleitet werden. (Antenne Münster)
+++ Das Oberlandesgericht Hamm hat den Verkauf eines Bioackers in Roxel an eine Genossenschaft bestätigt, womit zwei junge Landwirt:innen aus Münster aufatmen können. (WDR – mehr dazu nächste Woche)
+++ Die Uni Münster zählt laut dem Magazin „Times Higher Education“ zu den weltweit 200 besten Universitäten und schafft es national auf Rang 18. (Universität Münster)
+++ Im Aasee haben Fachleute wieder mehr junge Raubfische und erstmals auch Exemplare des Raubfisches Rapfen gefunden. (Stadt Münster)
+++ An der Steinfurter Straße soll ein neuer fünfgeschossiger Bau mit 124 geförderten Apartments für Azubis und Studierende entstehen. (Stadt Münster)
+++ In den Herbstferien öffnen die Hallenbäder in Hiltrup, Kinderhaus und am Ostbad länger für Familien und Freizeitschwimmer:innen. (Stadt Münster)
Gestern hat die Welt erfahren, dass der diesjährige Literaturnobelpreis an den ungarischen Schriftsteller László Krasznahorkai geht. Eine gute Gelegenheit, auf den Kleinheinrich-Verlag in Münster aufmerksam zu machen. Der hat nämlich auch ein paar Nobelpreisträger verlegt: Jon Fosse und Tomas Tranströmer (RUMS-Brief). In diesem Jahr erschienen ist zum Beispiel die Neuauflage von Jon Fosses Gedichtband „Diese unerklärliche Stille“, mit Bildern von Olav Christopher Jenssen.
Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!
Heute hat Svenja Stühmeier für Sie in den Kalender geschaut. Das sind ihre Empfehlungen:
+++ Für Kurzentschlossene: Heute Abend kann man sich beim Langen Freitag im LWL-Museum für Kunst und Kultur am Domplatz die neue Kirchner-Picasso-Ausstellung ansehen – also die Werke von Ernst Ludwig Kirchner und Pablo Picasso, die zur gleichen Zeit lebten, sich aber nie begegneten und wahrscheinlich auch nicht kannten, wie Alexander Menden in der „Süddeutschen Zeitung“ schreibt (Geschenklink). Allerdings äußerte Kirchner damals in einem Brief die Hoffnung auf die „Gelegenheit, Picasso und meine Arbeiten nebeneinander auf einer Wand zu zeigen, damit sich die guten Leute darüber klar werden“. Diese Gelegenheit gibt es jetzt, heute Abend bis 24 Uhr – Eintritt frei. Die Ausstellung läuft aber noch bis zum 18. Januar.
+++ Für die morgige Premiere von „Der Idiot“ im Stadttheater gibt es noch einige Karten. Regisseurin Milena Michalek hat den Text von Fjodor Dostojewski neu bearbeitet. Beginn ist um 19:30 Uhr.
+++ Morgen geht’s los zum ersten Landpartie-Ausflug des Vereins Reset in diesem Herbst. Um 14 Uhr fährt der Bus am Busbahnhof ab in Richtung Havixbeck. Nachmittag und Abend sind gefüllt mit Performances, einer kleinen Wanderung und einer Führung in der Wassermühle Schulze Westerath. Tickets, auch für die weiteren Termine in diesem Herbst und Winter, gibt es hier. Das Ganze findet in Kooperation mit dem Münsterland-Festival statt.
+++ Ab dem 13. Oktober ist die Wanderausstellung „Frauen im geteilten Deutschland“ in Münster zu Gast. Sie zeigt die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Frauen in der Bundesrepublik und der DDR auf. Gleichzeitig stellt sie die Frage: Wo waren Gemeinsamkeiten? Sie können die Ausstellung auf Deutsch bis zum 14. November in der Stadtbücherei, auf Englisch bis zum 27. November in der VHS besuchen. Es gibt ein Rahmenprogramm, zum Beispiel eine Lesung am 16. Oktober.
+++ Ebenfalls am Montag eröffnet das Bistum die Ausstellung „Vielfalt im Garten“ in der Diözesanbibliothek. Sie informiert insbesondere darüber, wie der eigene Garten nachhaltiger gestaltet werden kann. Geöffnet ist sie montags bis freitags zwischen 9 und 18 Uhr, der Eintritt ist frei.
+++ Wie war das eigentlich mit dem deutschen Kolonialismus? Ihre Wissenslücke können Sie Dienstagabend ein wenig auffüllen. Da stellt Henning Melber sein gerade im Unrast-Verlag erschienenes Buch „Der lange Schatten des deutschen Kolonialismus. Verdrängung, Verleugnung, Umdeutung“ vor. Der deutsch-namibische Politikwissenschaftler forscht seit vielen Jahren zur Kolonialgeschichte Afrikas. Los geht die Veranstaltung des Vereins Afrikanische Perspektiven um 19 Uhr im Forum der VHS. Der Eintritt ist frei.
Und sonst?
„Woke“ gilt fast schon als Schimpfwort – kaum jemand benutzt es noch ohne Spott. Aber wer das Wort aufgibt, überlässt es denen, die es entwertet haben. Christoph Tiemann erklärt in seiner RUMS-Kolumne, wie ein kleines Theater in Münster zeigt, warum es sich lohnt „wach für andere“ zu bleiben.
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Am Dienstag schreibe ich Ihnen wieder. Bis dahin wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende!
Herzliche Grüße
Anna Niere
Mitarbeit: Ralf Heimann (rhe), Svenja Stühmeier (sst), Jan Große Nobis (jgn) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Maria Schubarth
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PS
2.320 Wohnungslose, 100 dauerhaft auf der Straße lebende Münsteraner:innen. Ein Großteil dieser Menschen wird oft nicht gehört. Sie haben selbst das Gefühl, an der Gesellschaft vorbeizuleben. Der Podcast „Hinhören statt Wegschauen“ vom Hansaforum gibt genau diesen Menschen eine Stimme. Dort erzählen sie selbst ihre Geschichten. Die Podcastfolgen sollen Verständnis schaffen und beim Abbau von Vorurteilen helfen – und vor allem den Wohnungslosen zeigen, dass sie genauso Teil der Stadtgemeinschaft sind. Meiner Meinung nach ist das sehr gut gelungen, hören Sie doch mal rein! (ani)