Ernüchternde Energiebilanz – und jetzt? | Das schlafende Theater und der Musik-Campus-Elefant | Gefahrenkarte: Vorbereitung aufs Hochwasser

Porträt von Svenja Stühmeier
Mit Svenja Stühmeier

Guten Tag,

vielleicht haben Sie schon einen Blick in die Energie- und Treibhausgasbilanz der Stadt geworfen. Die für 2021 ist vor einigen Tagen veröffentlicht worden (wir hatten es kurz vermeldet). Und zugegeben, viel mehr als einen Blick möchte man den ernüchternden Zahlen auch gar nicht schenken. An dieser Stelle nur so viel: Wenn Münster bis 2030 klimaneutral sein will, muss die Stadt ab 2022 jedes Jahr etwa sieben Mal so viele Emissionen einsparen wie im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre.

Daran ist nichts schön zu reden, das macht der Klimabeirat in seiner Pressemitteilung zur Bilanz klar. Aber wie kommuniziert man solche Ergebnisse eigentlich, ohne Gefahr zu laufen, dass die Stadtgesellschaft komplett resigniert? Vielleicht ja so:

1. Hoffnung geben

Im Herbst 2022 hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, 20 Prozent ihres Energieverbrauchs einzusparen. Auslöser war der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Ressourcenknappheit, doch Einsparungen im Wärmebereich haben auch Einfluss auf die städtische Klimabilanz. Die Stabsstelle Klima hat das einmal durchgerechnet. Ein Fünftel weniger Wärme zu verbrauchen, hätte die gesamten Emissionen 2021 um weitere fünf Prozentpunkte gesenkt. Also wären es nicht 31, sondern 36 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 1990 gewesen. Das ist natürlich noch nicht toll und vor allem keine feste Prognose. Aber zumindest eine Einordnungshilfe. Laut Stadtwerken war der Gasverbrauch 2022 tatsächlich niedriger als zuvor. Das könnte sich also auf die Bilanz niederschlagen und wäre zumindest ein Schritt in Richtung Emissionssenkung.

2. Kommunalen Handlungsspielraum einbeziehen

Klimabeirat und Klimaentscheid kritisieren, dass die Verwaltung intransparent umgeht mit dem, was sie gerade so macht, um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen. Sie schreibt, dass sie auf viele Maßnahmen keinen Einfluss nehmen könne, weil diese auf Bundes- und EU-Ebene entschieden werden. Aber auf andere ja eben doch. So gibt es zum Beispiel einen Plan mit 50 Sofortmaßnahmen, die der Rat beschlossen hat und die die Verwaltung gerade prüft oder umsetzt. „Mein Eindruck ist, dass vieles gut geht, manches aber nicht so schnell wie erhofft“, sagt Stabsstellenleiter Thomas Möller und verweist zum Beispiel auf den Handwerkermangel beim Ausbau sich erneuernder Energien. Wie gut das wirklich läuft, will die Verwaltung dann im Laufe des Jahres in einem Bericht veröffentlichen.

3. Einen Anstupser geben

Aber auch Sie können zukünftige Bilanzen beeinflussen. Zumindest in Teilen. Die Stadtverwaltung führt den Zuwachs von Einwohner:innen als einen Grund auf, warum das mit der Emissionsreduktion nicht gut funktioniert.

Dazu einmal ein Verweis auf eine Tabelle in der Energiebilanz. Darin steht, dass sich die Anzahl der Münsteraner:innen von 1990 bis 2021 um 14 Prozent erhöht hat. Die der Wohnfläche um knapp 50 Prozent. Und die Anzahl der Autos ist ebenfalls um fast die Hälfte angestiegen. Das gibt der Einschätzung einen anderen Dreh, nämlich: Es ist schwieriger, Emissionen zu reduzieren, weil Münsters Einwohner:innen in den vergangenen dreißig Jahren ihre persönlich genutzten Ressourcen erhöht haben. Was das Problem jedoch nicht auf Verhaltensmuster der Einzelnen abwälzt. Das Stichwort heißt Suffizienz, also ressourcensparendes Verhalten. Dafür braucht es politische Rahmenbedingungen, die dieses an erste Stelle setzen und es möglichst leicht machen. In seiner Stellungnahme schlägt der Klimabeirat etwa eine Begrenzung der Wohnfläche pro Person vor, die bei neu geplanten Wohnungen greift. Und: „Energiesparen muss belohnt werden, Verschwendung sehr teuer werden.“

Eine weitere Forderung: Mehrheiten für unbequeme Maßnahmen. Die eventuell doch nicht als allzu unbequem wahrgenommen werden? Vielleicht erinnern Sie sich ja an den Bürgerrat Klima 2021. In dem waren sich fast alle Teilnehmenden einig, dass Verantwortung tragen und Veränderungen annehmen notwendig sind. (sst)

Kurz und Klein

+++ Sie erinnern sich vielleicht: Der Kita-Navigator hat für ziemlich viel Chaos gesorgt. Die Software hatte Ergebnisse falsch sortiert und Kinder dementsprechend falsch zugeordnet. Seit gestern verschickt die Stadt nun Zusagen für Kita-Plätze. Etwa drei Viertel der Familien bekommen dasselbe Angebot für Kita und Betreuungsumfang wie im ersten Durchlauf. Aber: Laut Westfälischen Nachrichten wurden insgesamt nur gut 2.300 Kita-Plätze über den Navigator verteilt – bei über 4.000 eigentlich notwendigen. Und 144 Familien, denen eigentlich schon ein Platz zugesagt wurde, haben auf einmal doch keinen mehr. Die CDU-Fraktion nennt den Kita-Navigator „ein großes und politisch nicht akzeptables Ärgernis“ und setzt sich mit einem Ratsantrag für eine neue Software ein. Auch die FDP spricht sich für ein neues System aus. Das könnte dann ja in die neue Familien-App integriert werden, die die CDU fordert. (sst)

+++ Der gestrige Warntag ist etwas besser gelaufen als beim letzten Mal. Im Dezember zog Ordnungsdezernent Wolfgang Heuer noch eine „gemischte Bilanz“. Damals wurden nicht alle Handys im Stadtgebiet über die Warn-App Nina und das sogenannte Cell Broadcast erreicht (falls Ihr Smartphone keinen Mucks von sich gegeben hat, schauen Sie einmal hier). Die Westfälischen Nachrichten berichten, die Stadt sei mit dem gestrigen Warntag zufriedener, auch wenn es vereinzelt Probleme mit der Nina-App gegeben haben soll. Die 24 Sirenen in der Stadt haben immerhin pünktlich um 11 Uhr aufgeheult. Beim letzten Mal standen in Münster noch 16 Warnsirenen. Damit die Warnsignale flächendeckend zu hören sind, braucht die Stadt aber 70 Sirenen. Die werden laut Stadt bis Ende des Jahres ausgebaut. Die Landtagsabgeordnete Simone Wendland (CDU) ist damit nicht so happy. Sie kritisiert, die Stadt Münster plane das schon seit 2015 und eigentlich hätte alles noch im selben Jahr fertig sein sollen. Solche Verzögerungen haben aber zugegebenermaßen eine gewisse Tradition: Dass es mit dem Ausbau von egal was, wenn überhaupt, nur schleppend vorangeht, kennen wir ja schon von anderen Projekten. (sfo)

+++ Bei diesem Schmuddelwetter heiß zu duschen, kann auch ein Problem werden. Das zeigt sich gerade in Berg Fidel. Dort sind bei einer Routineuntersuchung in einem Wohngebäude, das der Konzern LEG vermietet, Legionellen im Wasser aufgetaucht. Die Bakterien übertragen sich über Wasserdampf, sie können das Pontiac-Fieber oder schlimmstenfalls die Legionärskrankheit auslösen. Von Freitag bis Mittwoch durften die meisten Mieter:innen in 145 LEG-Wohnungen deshalb vorsichtshalber nicht duschen. Auch das sei eine Routinemaßnahme, wie uns eine Sprecherin auf Anfrage schreibt: Ein solches Duschverbot sei gesetzlich vorgeschrieben, bis Sterilfilter in den Duschköpfen eingebaut sind. Bis gestern Nachmittag seien diese Filter bei fast allen Wohnungen angebracht worden, schreibt die LEG-Sprecherin. Außerdem sei die Trinkwasseranlage mit heißem Wasser desinfiziert worden. Die Sprecherin gibt zu, dass in dem Wohnkomplex in Berg Fidel nicht zum ersten Mal erhöhte Legionellenwerte festgestellt wurden. Das sei bei einer großen Wohnanlage „nicht ungewöhnlich“. Auf die Ursachen könne sie im Moment nicht genauer eingehen. Werner Szybalski von der Gruppe „Berg Fidel solidarisch“ sagte dem Westfälischen Anzeiger im Februar, dass die Mieter:innen im Stadtteil schon häufig Probleme mit der LEG hatten. So seien viele Wohnungen des Immobilienkonzerns beispielsweise sanierungsbedürftig oder von Schimmel befallen. Bei Instagram schreibt „Berg Fidel solidarisch“ außerdem, es sei äußerst schwierig, die LEG zum Handeln zu bringen. (sfo)

+++ Wenn noch nicht klar ist, wo die dritte Gesamtschule in Münster steht, kann man ja schon einmal die vierte planen. Das jedenfalls hat laut Antenne Münster die SPD mit einem Ratsantrag vor. Gleichzeitig unterstütze die Partei weiterhin, dass es eine dritte Gesamtschule in Roxel geben wird. Die FDP ist davon nicht begeistert. Sie wirft der SPD in einer Pressemitteilung vor, mit ihrem Vorschlag den Schulentwicklungsplan zu untergraben. Wichtiger sei zunächst, ein faires Anmeldeverfahren für die weiterführenden Schulen zu etablieren. Schließlich gebe es wegen der früheren Anmeldemöglichkeiten an Gesamtschulen keine akkurate Aussage über die tatsächliche Nachfrage von Gesamtschulplätzen. Jedes Jahr werden dort Anmeldungen abgelehnt, 2023 waren es 342. (sst)

Wie es weiterging – mit der Winternothilfe

Am Dienstag haben wir im RUMS-Brief über die Winternothilfe am Albersloher Weg berichtet. Auf einem ehemaligen Industriegelände hat die Stadt Wohncontainer aufgestellt, in denen Obdachlose im Winter übernachten können. Dieses Angebot richtet sich allerdings nur an Männer über 18 Jahren. Wo gehen also obdachlose Frauen hin, um sich vor der Kälte zu schützen?

Dazu ein Anruf bei Marion Böing von der Wohnungslosenhilfe des Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) Münster. Sie sagt, im Jahr 2019 standen auf dem Gelände am Albersloher Weg auch drei Container mit zwölf Plätzen für obdachlose Frauen. Im Jahr darauf hat der SKF aber den Standort gewechselt. „Wir wollten die alleinstehenden Frauen nicht mehr auf dem dunklen Areal unterbringen“, sagt Böing. Eine Sicherheitsmaßnahme.

Seitdem kommen die Frauen im Winter im Gertrudenhaus unter, in der Einrichtung, in der alle wohnungslosen Frauen in Münster Schutz finden. Dazu musste die Unterkunft zunächst umgebaut werden, sagt Böing. Das Gertrudenhaus hat normalerweise 26 Plätze, im Winter kommen sechs dazu.

So richtig reicht das nicht aus. Trotz des Umbaus ist die Wohnsituation dort angespannt: Das Gertrudenhaus sei wie alle anderen Unterkünfte für Wohnungslose in Münster im Moment sehr stark ausgelastet, sagt Marion Böing. In diesem Winter sei die Situation „geradeso zu stemmen“ gewesen. Die Frauen kämen sehr beengt unter, meist in Vierer- oder Fünferzimmern, was allerdings Konflikte schüren könne. An manchen Tagen sei das Gertrudenhaus in diesem Winter auch überbelegt gewesen. (sfo)

Korrekturhinweis: In einer früheren Version haben wir geschrieben, die Winternothilfe für Frauen wurde bis 2019 am Albersloher Weg organisiert. Richtig ist, 2019 wurden dort erstmals Container aufgestellt. Davor gab es keinen Bedarf.

Zahlen, bitte.
Infografik zur Höhe des Lärmpegels in Münster, der durch Verkehrslärm entsteht

2022 verzeichnet die Stadt Münster 99.500 Menschen, die Verkehrslärm von über 55 Dezibel ausgesetzt sind. Das sind doppelt so viele Betroffene wie 2017. Grund dafür ist eine neue Berechnungsmethode, die EU-weit genutzt wird. Das Umweltbundesamt schreibt, dass schon eine Lärmbelastung von über 55 Dezibel außerhalb des Hauses das Wohlbefinden einschränken kann. Am Tag sollte deswegen ein Pegel von 65 Dezibel nicht überschritten werden.

(Quelle: Stadt Münster)

Hier finden Sie alle unsere Infografiken. Sollte Ihnen eine davon besonders gut gefallen, teilen Sie sie gerne!

Das schlafende Theater und der Musik-Campus-Elefant

Seit gut einem Jahr ist Katharina Kost-Tolmein im Amt, gerade steckt das Theater Münster mitten in der ersten Spielzeit unter ihrer Führung. Die neue Generalintendantin steht laut Oberbürgermeister Markus Lewe für einen „ambitionierten Neubeginn“ und „neue Impulse“ für das Kulturleben in der Region.

In den nächsten Wochen soll es hier im RUMS-Brief um diese neuen Impulse gehen. Welche sind es, was bedeuten sie für das Publikum und für die Theaterleute?

Um all das gut einordnen und diskutieren zu können, schauen wir heute aber erst einmal zurück. Die Politikwissenschaftlerin Rike-Kristin Baca Duque von der Uni Münster hat sich in einer Studie mit dem Theater beschäftigt, mit seiner Geschichte und Entwicklung bis zur vergangenen Spielzeit, mit seinem Verhältnis zum Orchester und zur freien Szene und mit der Frage: Wer bezahlt das alles eigentlich?

Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor, aus der Debatte über den Musik-Campus. Tatsächlich ist der Campus ein bisschen wie der rosa Elefant im Studienraum: Er wird nicht genannt, guckt aber ständig um die Ecke. Warum das wichtig ist und warum die Studie „Ein Theater im Dornröschenschlaf“ heißt, hat Constanze Busch für Sie herausgearbeitet.

Spagat zwischen Grün und Schwarz

Städtische Kultureinrichtungen wie das Theater stehen nicht für sich, sondern immer in einer Beziehung zur Stadtgesellschaft. Die Politiker:innen entscheiden im Stadtrat, für welche Einrichtungen und Projekte sie Geld ausgeben, und wenn es halbwegs gut läuft, nehmen sie dabei Rücksicht auf die Wünsche der Bürger:innen. Die wiederum entscheiden als Publikum mit darüber, welche Kultur sie möchten, und zwar indem sie für manche Vor- und Ausstellungen Karten kaufen und für andere nicht. Die Studie beschreibt deshalb erst einmal die münstersche Stadtgesellschaft und zwei große Herausforderungen.

Die erste nennt die Autorin einen „kulturpolitischen Spagat“: In der Innenstadt wählt die Mehrheit der Menschen die Grünen, in den Stadtteilen drumherum gibt es eine CDU-Mehrheit. Die beiden Parteien haben unterschiedliche Vorstellungen von der Rolle des Theaters und davon, welche Kultur die Stadt überhaupt fördern sollte. Für die CDU sei das Theater einer „der wesentlichen Bausteine des kulturellen Lebens der Stadt“, während die Grünen (auch) die freie Szene fördern und unterstützen wollen.

Dieser Grün-Schwarz-Gegensatz ist zwar etwas vereinfacht. Aber die Politik muss tatsächlich einen Spagat hinbekommen, und zwar einen finanziellen. Denn zusätzliches Geld für freie Kulturprojekte oder den Gasometer muss wahrscheinlich anderswo gespart werden, zum Beispiel beim jährlichen 23-Millionen-Euro-Zuschuss für das Theater.

Um Geld geht es auch beim zweiten Problem, das die Autorin beschreibt. Im Vergleich zu vielen anderen Städten im Bundesland geht es Münster wirtschaftlich gut, aber dafür klafft die Schere zwischen Gut- und Geringverdienenden innerhalb der Stadt auch besonders weit auseinander. Verschiedene Milieus seien „immer noch hermetisch voneinander abgeriegelt“, das Publikum von freier Szene und Stadttheater mische sich kaum. Und bei Menschen in Außenstadtteilen wie Kinderhaus, Coerde oder Berg Fidel komme das kulturelle Angebot gar nicht an.

Kulturbetriebe mit „Sonderstellung“

Hier spinxt wieder der Musik-Campus-Elefant zwischen den Zeilen hervor. Bei diesem Projekt ringen Stadtverwaltung, Politik und Kulturschaffende ja darum, neben dem Sinfonieorchester auch möglichst viele freie Ensembles und Künstler:innen einzubeziehen und bei der Planung zu berücksichtigen. Es soll nicht wie ein Elitenprojekt wirken; an diesem Eindruck war 2008 die Vorgängeridee einer Musikhalle gescheitert.

Die Frage, ob für solche Vorhaben der Theater-Etat angetastet werden sollte, ist nicht neu. Spätestens seit den 1980er-Jahren wird sie immer wieder gestellt, vor allem von den Grünen. Bisher wurde sie letztlich immer mit „Nein“ beantwortet. Wenn der Musik-Campus gebaut wird und das Sinfonieorchester (mitsamt seinem Budgetanteil) dort ein- und aus dem Theater auszieht, wird das wohl anders aussehen. Was das für das Theater bedeuten wird, müssen Politik und Stadtgesellschaft noch aushandeln.

Rike-Kristin Baca Duque, die übrigens von Mitte 2019 bis Ende 2020 als persönliche Assistentin des damaligen Theater-Generalintendanten Ulrich Peters gearbeitet hat, erzählt in ihrer Studie die Geschichte des Stadttheaters ab den Anfängen im 18. Jahrhundert. Wenn Sie das genau wissen möchten, können Sie es hier ab Seite 7 nachlesen.

Für die heutige Debatte ist interessant: Ab dem 20. Jahrhundert wurde das Theater (beziehungsweise seine Vorgänger-Einrichtung) mit Steuergeldern gefördert. Dahinter stand die „sozialdemokratische Leitidee“, dass ein Theater Teil des Wohlfahrtsstaates sei. Bis heute hat das Haus eine Sonderstellung in der Stadt, weil es in der Kultur bei weitem die meiste finanzielle Unterstützung bekommt. Allerdings ist das Theater inzwischen „zu einem kulturellen Angebot unter vielen geworden“ und muss seine Rolle verteidigen, je mehr Anerkennung, Geld und Raum auch die freie und soziokulturelle Szene bekommen.

Eine Sonderstellung innerhalb des Theaters hat das Sinfonieorchester. Es wurde 1919 gegründet, damals noch völlig unabhängig vom Theater – dafür aber in einem Rutsch mit der Musikschule und der Musikhochschule, mit denen es ja ab den 2030er-Jahren unter ein gemeinsames Musik-Campus-Dach ziehen soll. Kulturpolitik sei nach dem Ersten Weltkrieg „politische Prestigesache“ gewesen, so steht es in der Studie, und das kommt einem heute ja auch irgendwie bekannt vor.

Ein eigenes Dach hat das Orchester seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr; damals wurde die Stadthalle an der Neubrückenstraße zerstört, in der die Musiker:innen bis dahin aufgetreten waren. Das Ensemble zog zusammen mit dem Schauspiel in das neue Theatergebäude, das 1956 an der Neubrückenstraße eröffnet wurde. Es sollte „schon bald“ wieder eigene Räume bekommen, aber na ja, das ist ja jetzt auch erst 67 Jahre her.

Alles so mittel

Aus künstlerischer Sicht ist die finanzielle Sonderstellung des Theaters gleichzeitig Segen und Fluch. Vor derselben Herausforderung stehen auch andere Stadttheater: Sie werden zwar aus der kommunalen Kasse finanziert (das Theater Münster kann nur rund ein Fünftel seiner Kosten aus den Einnahmen decken), müssen dafür aber auch abliefern. Und das heißt konkret: Sie sollen immer mehr Zuschauer:innen ansprechen und anziehen, damit die Vorstellungen möglichst ausgelastet sind.

Für die Künstler:innen ist das eine Gratwanderung: Soll das Theater als eine Art Dienstleister arbeiten und das Publikum vor allem unterhalten? Oder soll es mehr wagen und den Zuschauer:innen mehr zutrauen – auch auf die Gefahr hin, dass weniger Menschen sich angesprochen fühlen? In der Vergangenheit ist in Münster offenbar eine Art Mischmasch aus beiden Möglichkeiten herausgekommen. Das Theater sei weder klar klassisch noch klar innovativ. Es tauche zwar oft in der Presse auf, stoße aber keine Debatten in der Stadtgesellschaft an.

Dieser Mittelweg wirkt sich auch darauf aus, wie das Theater überregional wahrgenommen wird, nämlich auch so mittel. „Die Rolle des Theater Münster in NRW wird nicht als überragend, aber auch nicht als unwichtig eingeschätzt“, schreibt Rike-Kristin Baca Duque, „das Theater Münster spiele vielmehr im Mittelfeld der Stadttheater der mittelgroßen Städte mit“.

Da geht noch was. Aber wie?

Anerkennung, Visionen, Personenkult

Die Studienautorin hat für ihr Papier unter anderem mit Menschen aus dem Theater gesprochen. Einige hoffen auf die neue Intendantin. Einer sagte, Münster müsse statt aktuell 3,7 Prozent eigentlich 6 Prozent des gesamten Haushalts in die Kultur stecken. Und auch andere fanden, im Stadtrat werde eigentlich nur über Sparvorschläge geredet.

Bei so etwas geht es aber um viel mehr als Geld, nämlich um die Frage, wie wichtig den Verantwortlichen in der Stadt die Kultur und besonders das Theater sind. Zumindest einige Theaterleute vermissen offenbar Anerkennung, in der Studie taucht sogar der Begriff „Trauer“ auf, „nach einer Zeit, in der Theatervorstellungen in Münster ein gesellschaftliches Ereignis waren“. Sie wünschen sich eine Situation zurück, in der Politiker:innen und „angesehene Bürger:innen“ die Menschen aus dem Theater nach Vorstellungen kennenlernen wollten.

Die Autorin schreibt auch von „Personenkult“ und „Sakralität des Theaters“. Das Haus solle eben nicht eines von vielen Angeboten sein, sondern einen besonderen Stellenwert haben. Gerade bei älteren Kulturschaffenden sei das zwar nachvollziehbar, schreibt die Autorin – aber das Theater sei jetzt eben „mehr zu einem Ort für alle geworden“.

Neben mehr Anerkennung wünschen sich manche Theaterleute auch, dass Politik und Stadtverwaltung das Kulturgeschehen in Münster stärker mitgestalten. Die Verantwortlichen sollen mehr Leidenschaft zeigen, neue Ideen mit anstoßen und zwischen verschiedenen Kulturbereichen moderieren. Die damalige Theaterleitung, mit der die Autorin für ihr Papier auch gesprochen hat, wünscht sich vom städtischen Dezernat mehr Engagement. „Ein Wunsch, der von der Stadtverwaltung am hohen Statusdenken der Kulturschaffenden festgemacht und nicht als Bedürfnis nach mehr Steuerung im kulturellen Bereich wahrgenommen wird“, so fasst Rike-Kristin Baca Duque ihr Interview mit der Verwaltung zusammen.

Einen umfassenden Kulturentwicklungsplan mit großen Ideen und visionären Konzepten für das Kulturleben in der Stadt gibt es bisher nicht. Die Stadt will das nun aber in Angriff nehmen, mit einer Kulturkonferenz, die laut Kommunikationsamt für die zweite Jahreshälfte geplant ist. Die Teilnehmer:innen sollen über die Bedeutung der Kultur und das Leitbild diskutieren und neue Formate für die Zusammenarbeit von Kulturschaffenden entwickeln. Am Ende soll kein „statischer Bericht“ herauskommen, sondern ein Prozess angestoßen werden, um die Kultur auch danach stetig weiterzuentwickeln.

Bevor das alles losgehen kann, muss der Rat es aber erst einmal beschließen und das nötige Geld freigeben. Die Verwaltung werde dazu „beizeiten“ einen Vorschlag machen, schreibt sie. (cbu)

In den nächsten Wochen möchten wir uns damit beschäftigen, was sich mit der neuen Intendanz am Theater geändert hat. Wenn Sie uns dazu einen Hinweis geben möchten, schreiben Sie uns. Wir nennen Ihren Namen nicht, wenn Sie das nicht möchten.

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Klima-Update

+++ Klar ist: Wir können uns auf heißere Sommer einstellen. Und bei Hitze ist es bekanntlich besonders wichtig, genug zu trinken. Was aber, wenn man gerade unterwegs ist? In einem Artikel der Westfälischen Nachrichten war vergangenen Sommer die Rede davon, dass die Stadt sechs bis acht weitere Trinkbrunnen plant. Wir haben nachgefragt, wie es darum steht. Die Antwort der Stadt: Von einer konkreten Planung sei nie die Rede gewesen. Und das ist es auch heute nicht, man halte weitere Trinkbrunnen jedoch für „erstrebenswert“. Das Presseamt schreibt uns auf Anfrage, die Stadt benötige für die Aufstellung und Instandhaltung von Trinkwasserspendern zunächst ein „grundlegendes Konzept“. Schauen wir mal nach: Im Innenstadtkonzept heißt es allerdings, ein solcher Masterplan Trinkwasserspender 2030 sei „mit hohem personellem und finanziellem Aufwand verbunden”. Einige Trinkbrunnen gibt es immerhin schon. Und zwar am Spielplatz Coerdeplatz (der ist zurzeit nicht in Betrieb), an den Aaseekugeln und irgendwann auch am Bremer Platz. Und dann gibt es laut Presseamt auch noch eine andere Möglichkeit, sich mit kostenlosem Trinkwasser zu versorgen: 45 Geschäfte in der Innenstadt hätten sich der ehrenamtlichen Initiative „Refill Deutschland” angeschlossen, damit sei „eine leicht zugängliche Form der Versorgung mit Trinkwasser sichergestellt”. Na, wenn das so ist, dann kann das mit dem Trinkwasserbrunnenbau auch getrost noch ein bisschen dauern. (fkr/sfo)

+++ Vor ein paar Tagen hat die Stadt ein aktualisiertes Hochwasserkonzept vorgelegt. Darin steht, wieso Münster gefährdet für Hochwasser ist, was schon an Maßnahmen umgesetzt wurde und was noch umgesetzt wird. So wurde zum Beispiel die Westerholtsche Wiese renaturiert und die Regenwasserkanalisation in einigen Straßen in Kinderhaus vergrößert. Die Stadt orientiert sich damit an dem Prinzip einer Schwammstadt. In Gievenbeck und am Alfred-Krupp-Weg sollen auch Kanalsanierungen stattfinden. Das Hochwasserrisiko in Münster zeigt eine Karte der Bezirksregierung an. Darin können Sie nachschauen, wo es in Münster besonders schnell zu Hochwasser kommen kann. Das ist zum Beispiel sehr stark entlang der Aa der Fall. (fkr)

Korrekturhinweis: Wir haben in einer früheren Version Starkregen und Hochwasser durcheinandergebracht.

+++ Kaum etwas ist so teuer wie unterlassener Klimaschutz: Das Bundeswirtschaftsministerium hat ausrechnen lassen, dass die Klimakrise bis 2050 schlimmstenfalls Schäden in Höhe von bis zu 900 Milliarden Euro anrichten wird. Um diesen unvorstellbaren Geldberg einmal zu veranschaulichen: Der Bundeshaushalt für das Jahr 2023 ist nur halb so groß. Von 2001 bis 2021 hat uns die Klimakrise schon 145 Milliarden Euro gekostet. Das ist in etwa das 100-fache von dem, was die Stadt Münster in diesem Jahr im Haushalt eingeplant hat. Na super. Und was könnte man laut Studie dagegen tun? Die überraschende Antwort: mehr Klimaschutz. (fkr/sfo)

Konzerte im Theater Münster

26. März 2023, 18 Uhr Daniel Müller-Schott, Cello & Aris-Quartett (Bach & Schubert Quintett D.956)

13. Mai 2023, 20 Uhr Sebastian Koch, Lesung (Beethoven/Tolstoi: „Kreutzersonate“)

03. Juni 2023, 20 Uhr Jan Lisiecki, Klavier (Chopin Etüden op. 10 & Nocturnes)

 

Infos & Tickets: www.schoneberg.de
Ein-Satz-Zentrale

+++ Bei einer landesweiten Razzia in 27 Städten, unter anderem im Münsterland, hat die Polizei nach Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern gesucht. (WDR)

+++ 5 von 29 städtischen Kitas sind am Mittwoch wegen des Warnstreiks geschlossen geblieben. (Westfälische Nachrichten)

+++ Das Ostbad, die Skandalnudel unter den Bädern in Münster, muss die Wiedereröffnung des Solebeckens verschieben. (Stadt Münster)

+++ Da die Stadt die Elternbeiträge für den Offenen Ganztag erhöhen will, schlägt die FDP ein „ausgleichendes Staffelmodell“ anhand der Elterneinkommen vor. (FDP Münster)

+++ Ab dem 1. April erhöhen die Stadtwerke Münster die Preise für Fernwärme und Gas um durchschnittlich 6,5 Prozent. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die Polizei in Münster plant die Einführung einer Videoüberwachung in der Windthorststraße im Bahnhofsviertel, um etwas gegen die Kriminalität dort zu unternehmen. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die Linke fordert einen 15-Minuten-Takt auf allen Strecken des geplanten Münsterland-S-Bahn-Netzes und einen aktualisierten Bericht über den Planungsstand des Projekts. (Linke Münster)

+++ Der Anteil von Frauen in der Kommunalpolitik im Münsterland ist immer noch gering. (WDR Münster)

+++ Am 7. März hat der im vergangenen Jahr neu gebildete Priesterrat seine Arbeit aufgenommen. (Bistum Münster)

+++ Eine mögliche Aufstiegsfeier der Preußen könnte im Rathaus stattfinden. (Westfälische Nachrichten)

+++ Eine Schülerin aus Münster hat eine App entwickelt, Frauen und Mädchen ein sicheres Gefühl in beklemmenden Situationen geben soll, indem sie zum Beispiel Fake-Anrufe durchführen. (WDR)

+++ Münster und Winnyzja unterzeichnen eine Solidaritätspartnerschaft trotz russischer Aggression. (Stadt Münster)

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Drinnen und Draußen

Fabian Cohrs hat sich umgehört und für die kommenden Tage ein paar Veranstaltungstipps zusammengestellt:

+++ Wenn die Stadt fleißig die „Weltpremiere” einer Riesenschaukel, die „Deutschlandpremiere” einer Geisterbahn aus den Niederlanden und immerhin Kirmes-Premiere eines Freifallturms bewirbt, wissen wir: Es ist mal wieder Send. Morgen um 15 Uhr öffnet die Kirmes bis zum 19. März. Am Donnerstag ist Familientag, an dem der Ausflug mit Kindern zumindest etwas günstiger wird. Und falls Sie einen eher sensiblen Magen haben: Am Freitag findet das traditionelle Feuerwerk statt.

+++ Anlässlich des 375-jährigen Jubiläums des Westfälischen Friedens hat das Borchert-Theater am Hafen ein eigenes Stück produziert. In „Wann, wenn nicht jetzt?” geht es um Krieg – und wie man versucht, ihn wieder zu beenden. Dabei geraten persönliche Ideale zum Teil in Konflikt mit politischen Zielen und manchmal müssen auch unbequeme Kompromisse eingegangen werden. Die Premiere fand gestern statt, Tickets für die nächsten Aufführungen erhalten Sie hier.

+++ Morgen Abend empfangen die Basketball-Zweitligisten WWU Baskets ihre Konkurrenten, die Nürnberg Falcons. Für Münster geht es um den Klassenerhalt, jede Fan-Unterstützung in der Halle in Berg Fidel ist also gern gesehen. Tickets bekommen Sie hier.

+++ Kennen Sie Plogging? Ein tolles Hobby. Beim Spazieren sammelt man nebenbei auch Müll, um die Stadt ein bisschen sauberer zu machen. Wenn Sie das mal ausprobieren wollen, dann kommen Sie am Sonntag zum Schlosstheater. Dort beginnt um 13 Uhr die nächste Müllwanderung durch Münster.

+++ Am Montagabend um 20 Uhr trifft sich die Poetry-Slam-Szene im Sputnik Café. Das Publikum des Tatwort-Poetry-Slams hört nicht nur witzigen oder wichtigen Redebeiträgen zu, sondern bestimmt auch mit, wer als Sieger:in des Abends nach Hause geht. Der Eintritt kostet 8 Euro an der Abendkasse, mehr Infos bekommen Sie hier.

Am Dienstag schreibt Ihnen Ralf Heimann. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

Herzliche Grüße
Svenja Stühmeier

Mitarbeit: Fabian Cohrs (fco), Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn), Ralf Heimann (rhe), Frieda Krukenkamp (fkr)
Lektorat: Lisa Mensing

PS

Vor ein paar Tagen ist Twitter darauf gekommen, dass Münster auf Alt-Italienisch noch viel hübscher klingt: Monaco di Vestfalia. Und natürlich auch darauf, dass der ähnliche Name auf das hinweist, was eh schon offensichtlich war: „Monaco [ist] auch nur Münster am Mittelmeer.“ Eine dritte Stadt im Bunde gibt’s übrigens auch noch, das ist Monaco di Baviera. Quasi auch wie Münster, nur mit mehr Schickeria. Die wiederum wird übrigens in einer bayerischen 80er-Jahre-Serie dargestellt. Sie heißt – na? „Monaco Franze“. Und falls Sie tiefer in die Etymologie einsteigen wollen: Hier noch ein Reddit-Post, der nahelegt, dass die Bezeichnung mit dem italienischen Wort für „Mönch“ zusammenhängt und die haben wiederum in der Namensgebung von Münster und München eine Rolle gespielt. (sst)

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