Münsters CDU, Gefühle und Fakten | Kitakrise: Warum die große Not? | Unbezahlte Werbung: Bethlehem Cravings

Porträt von Ralf Heimann
Mit Ralf Heimann

Guten Tag,

die Geschichtsprofessorin Hedwig Richter und der „Zeit“-Redakteur Bernd Ulrich haben vor knapp zwei Wochen ein Buch veröffentlicht, in dem sie erklären, warum die Demokratie nach ihrer Einschätzung eine Revolution braucht, um zu überleben. In der „Zeit“ haben sie die Grundzüge ihrer Argumentation in einem Essay skizziert. 

Das Hauptproblem in westlichen Gesellschaften sei, so schreiben sie, dass viele Menschen ihre Privilegien und die daraus resultierende Bequemlichkeit nicht als solche wahrnähmen, sondern als Selbstverständlichkeit. Und wo es nun darum gehe, für die Folgen geradezustehen, die ihr Lebensstil in den vergangenen Jahren gehabt habe, fühlten sie sich in ihrer Freiheit angegriffen.

Daher rebellierten diese Menschen gegen die Klimawende, die Agrarwende, die Energiewende, die Verkehrswende, gegen alles Mögliche. Sie stritten die Verantwortung ab und schöben sie die Linken zu, den Eliten, die Menschen erziehen wollten, so sagen sie, und wenn die Linken weg seien, dann, so lautet das Versprechen, sei alles wieder in Ordnung. 

„Diese Antwort ist sachlich so falsch, wie sie emotional adäquat ist“, schreiben Richter und Ulrich, „sie bietet Wut, Empörung, Normalität, Heimat im Gestern und einen Sündenbock.“

Die CDU Münster hat in dieser Woche eine Pressemitteilung veröffentlicht, über der die Überschrift steht: „Grün-Rot für desolate Finanzlage der Stadt verantwortlich“. 

Solche Botschaften schüren Wut und Empörung, denn das kann ja wohl nicht sein, dass zwei Parteien hier die Stadt ruinieren. Es ist ein Statement wie aus dem Rechtspopulismus-Lehrbuch. Die CDU erzählt eine „Wir gegen die“-Geschichte, schafft ein Bedrohungsszenario und benennt einen Sündenbock. Da ist wirklich alles drin. 

Und natürlich, das kann man so machen. Nur, das ist nicht mehr so weit davon entfernt, wie die AfD es macht.

Die Rücklage, mit der die Stadt ihren schiefen Haushalt immer wieder ausgleichen konnte, habe vor zehn Jahren 66 Millionen Euro betragen, schreibt die CDU. Als Alfons Reinkemeier, der Vorgänger der grünen Kämmerin Christine Zeller, vor fünf Jahren in den Ruhestand ging, hätten 128 Millionen Euro in diesem Topf gelegen, ein Jahr später sogar 157 Millionen. Diesen Puffer hätten Grün-Rot und die Kämmerin „verbraten“, so steht es in der CDU-Pressemitteilung.

Man könnte den Zeitraum erweitern und nach Belieben Zahlen auswählen, die das Bild etwas anders aussehen lassen. Zum Beispiel: Seit 2009 gibt die Stadt Jahr für Jahr mehr Geld aus, als sie einnimmt. Das größte geplante Minus im Jahr 2010 lag bei 74 Millionen Euro. Im Jahr 2009 war die Ausgleichsrücklage auf 156 Millionen Euro gewachsen. Drei Jahre später waren es noch 12 Millionen. Alles weggeschmolzen. 

Und wenn in Münster etwas angeschafft wird, dann muss es immer das Beste sein. Zwischen 2009 und 2019 verdoppelte die Stadt ihre Ausgaben. Das alles passierte, als auch die CDU das Sagen hatte.

Die großen und die kleinen Räder

Die Wahrheit ist: Weder die CDU in Münster noch das Ratsbündnis ist für die desolate Finanzlage der Stadt verantwortlich. Dass im Moment alles so schwierig ist, liegt vor allem daran, dass die Lage generell schwierig ist. 

Wie viel Geld zum Verteilen da ist, liegt im Wesentlichen an der Konjunktur. Wenn es gut läuft, fließen die Steuereinnahmen. Darauf hat die Stadt wenig Einfluss. 

Feststellen kann man: In den vergangenen Jahren sind die Einnahmen nicht in dem Maße gewachsen, in dem die Ausgaben gestiegen sind. Und woran liegt das?

Die Inflation hat einen Sprung gemacht. Tarifabschlüsse in Rekordhöhe belasten den Haushalt. Die Sozialleistungen haben massiv zugenommen. Das sind ganz wesentliche Faktoren. Und das Phänomen gibt es nicht nur in Münster, sondern in allen Kommunen, auch in den von der CDU regierten. Nachlesen kann man das im Finanzbericht der Kämmerin, den sie morgen Abend im Rat vorstellen wird.

Ein zentrales Problem sind die Strukturen. Die Kommunen bekommen immer neue Aufgaben, auf der anderen Seite aber nicht mehr Geld. Der deutsche Städtetag, dessen Präsident Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) ist, rechnet für dieses Jahr damit, dass die Kommunen in Deutschland auf einem Defizit von 10 Milliarden Euro sitzen bleiben werden. 

Da sind also einerseits die großen Räder, die sich von selbst drehen. Und da sind die kleinen, deren Lauf die Ratsparteien beeinflussen können. 

Hier gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Morgen Abend im Rat geht es zum Beispiel um das Bestelltaxi Loop, dem fast alle Parteien in Münster den Stecker ziehen wollen, weil es ihnen zu teuer ist. Nur die CDU möchte nicht. 

Die CDU muss als Oppositionspartei Dinge fordern und Dinge kritisieren. Das ist ihre Aufgabe, und die Kritik kann auch hart ausfallen. Aber wo sie anfängt, Menschen aufzuwiegeln und Stimmung gegen politische Gegner zu machen, es so zu machen wie die AfD, weil Gefühle eben besser wirken als Fakten, da besteht die Gefahr, dass die Wut, die Empörung und das Unverständnis der Menschen umschlägt und sich am Ende nicht nur gegen den politischen Gegner richtet, sondern gegen das politische System generell, gegen die Demokratie. Und das – da sind sich die demokratischen Parteien hoffentlich einig – kann eigentlich niemand wollen. (rhe)

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Kurz und Klein

+++ Die Ratssitzung morgen Abend wäre beinahe absehbar so lang geworden, dass es vielleicht eine Überlegung wert gewesen wäre, ein Kissen mitzunehmen. Jetzt hat man sich darauf geeinigt, über die Feuerwehr und das Parkplatz-Gutachten (RUMS-Brief) später zu sprechen. Gestern sagte jemand, die Ratssitzung werde wohl „mittellang“. Genug zu bereden wird es in jedem Fall geben. Auf der 47 Punkte langen Tagesordnung stehen unter anderen die finanzielle Situation der Stadt, der Verkehrs-Masterplan (RUMS-Brief), das Stadthaus 4, der Millionenzuschuss für die Kitas (RUMS-Brief), das geplante Windrad am Autobahnkreuz Süd und die Entscheidung über die Zukunft des Ruftaxi-Systems „Loop“ (RUMS-Brief). Wenn Sie die Sitzung online verfolgen wollen: Um 16.15 Uhr beginnt die Übertragung. (rhe)

+++ Preußen Münster steht seit dem Wochenende wieder auf dem dritten Tabellenplatz, und wenn alles so bliebe, würden sie nach den Ligaspielen gegen den Drittletzten der Liga drüber (aktuell Rostock) in der Relegation um den Aufstieg spielen. Die Lizenz für die 2. Liga wäre schon mal da, berichtet unter anderem der „Kicker“. Problem ist weiterhin das Stadion. 12.800 Plätze gibt es, 15.000 braucht es mindestens, das Flutlicht ist zu schwach, und es fehlen Plätze für die Menschen, die über die Spiele berichten. Zuallererst fehlt es allerdings an Punkten. Am Samstag geht es auswärts gegen den Tabellenzwölften Viktoria Köln, der zuletzt zwei Mal gewonnen hat, am Wochenende gegen den Vierten Dresden. In der Woche drauf am Sonntag kommt Saarbrücken nach Münster. Und die sind in der Tabelle drei Plätze hinter den Preußen, haben aber immerhin Bayern München aus dem Pokal geworfen. (rhe)

+++ Am Freitag haben wir über eine Demo in Münster berichtet, die Betroffenen von ME/CFS, einer chronischen Erschöpfungserkrankung, mehr Aufmerksamkeit verschaffen sollte (RUMS-Brief). Viele der ME/CFS-Symptome überschneiden sich mit den Langzeitfolgen einer akuten Coronainfektion, dem sogenannten Long- oder Post-Covid-Syndrom. Wir hatten uns deshalb bei der Uniklinik Münster nach der Long-Covid-Ambulanz erkundigt, die für solche Fälle eingerichtet wurde (hier und hier hatten wir darüber berichtet). Unsere letzte Info von Ende Januar 2023 lautete, dass die Uniklinik die Ambulanz nicht mehr bewerbe. Die Warteliste mit Hilfesuchenden sei einfach zu lang, hieß es damals. Über ein Jahr später ist die Situation eine andere, wie eine Kliniksprecherin auf Anfrage erläutert. Sie schreibt, eine Long-Covid-Sprechstunde werde gerade nur für Patient:innen angeboten, die an einer Beobachtungsstudie teilnehmen. Der Grund: Oft sei bei Long-Covid keine organische Veränderung nachweisbar. Deshalb könne man nur die Symptome der Krankheit behandeln. Daher habe sich die Infektiologie-Abteilung, die die Long-Covid-Ambulanz gegründet hatte, dazu entschieden, die Betroffenen an die Fachbereiche zu überweisen, die die Symptome am besten behandeln können. (sfo)

Der Rürup
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Hier finden Sie alle unsere Cartoons. Sollte Ihnen ein Cartoon besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Wie es weiterging – mit der Radwegebenutzungspflicht

Im RUMS-Brief am 9. April haben wir darüber berichtet, dass jemand versucht, über eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz die städtischen Unterlagen zur Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht öffentlich zu machen. Der Versuch ist vorerst gescheitert. Die Stadt hatte die Fristen über Monate immer wieder verstreichen lassen, dem Antragsteller aber irgendwann ein persönliches Gespräch angeboten. Der Antragsteller lehnte das Angebot mit der Begründung ab, es gehe ihm entsprechend der Intention des Gesetzes darum, die Informationen öffentlich zu machen. Die Landesdatenschutzbeauftragte stellte nun klar, die Intention des Gesetzes sei nicht, Informationen öffentlich zu machen, sondern den Zugang zu ihnen herzustellen. (rhe)

Kitakrise: Warum die große Not?

Die freien Kitaträger in Münster brauchen Geld. Die Stadt will ihnen schnell helfen. Und es sieht so aus, als wenn einige Träger die Hilfe dringender brauchen. Aber warum? Constanze Busch hat sich das für RUMS etwas genauer angesehen. 

Wie geht es für die Kitas in Münster weiter, die von sogenannten freien Trägern betrieben werden, zum Beispiel von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) oder dem Deutschen Roten Kreuz (DRK)? Über eine vorläufige Antwort auf diese Frage soll morgen Abend der Rat entscheiden. Die Stadtverwaltung schlägt vor, den freien Trägern in diesem Jahr einen freiwilligen Zuschuss von rund 4 Millionen Euro zu zahlen. Diese Summe käme zusätzlich zu den 4 Millionen Euro, die die Stadt ohnehin für die Kitas in freier Trägerschaft zuschießt, ebenfalls freiwillig.

Zur Erinnerung: Acht freie Kita-Träger in Münster hatten den Ratsparteien im März einen Brandbrief geschickt (RUMS-Brief). Darin schrieben sie, kurz zusammengefasst: Entweder wir bekommen mehr Geld als bisher, oder wir müssen Kitas aufgeben. Letzteres würde bedeuten: Viele Kinder stünden plötzlich ohne Betreuung da, die Stadt müsste einspringen. Grund für die finanziellen Schwierigkeiten der Kitas sind vor allem gestiegene Gehälter.

Die Kita-Träger setzten der Stadt ein Ultimatum: Nach der Ratssitzung am 24. April müssten sie wissen, wie es weitergeht. Und wie wir hörten, hatten die Träger auch eine Vorstellung, welche Summe fürs Erste helfen könnte: 4 Millionen Euro.

Beim DRK war alles noch dringender. Warum?

Für das DRK reichte die Frist bis zur Ratssitzung allerdings nicht aus. Es wollte laut dem Brandbrief schon im März mit dem Jugendamt sprechen.

Das ist auch deshalb interessant, weil wir zum DRK mehrere Hinweise bekommen haben. Darin heißt es unter anderem, die Kita-Mitarbeiterinnen hätten 2022 keine oder keine angemessene Gehaltserhöhung bekommen. Im Vergleich zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD), nach dem städtische Kita-Angestellte bezahlt würden, gebe es ab diesem Frühjahr sogar eine Lücke von rund 400 Euro (brutto). 

Gleichzeitig habe das DRK aber für 3,2 bis 3,5 Millionen Euro das Gebäude der ehemaligen Bonifatiuskirche am Cheruskerring gekauft (Anm.: Das DRK hat in dem Gebäude unter anderem seine Geschäfts- sowie Beratungsstellen untergebracht). Das passe nicht zusammen, heißt es in den Hinweisen – oder vielleicht doch, weil der Kauf auch aus Einsparungen beim Kita-Personal finanziert werde?

Wir haben beim DRK Münster nachgefragt, das uns eine ausführliche schriftliche Stellungnahme geschickt hat. Tatsächlich seien nur noch wenige ältere Verträge TVÖD-gebunden. Für die übrigen Beschäftigten gelte eine Entgelttabelle, „die in Abstimmung mit dem Betriebsrat laufend angepasst wird, zuletzt zum 01.03.2024 um 3,5 %.“ Außerdem hätten alle Angestellten Inflationsausgleichsprämien bekommen. „Die Differenz unseres Grundentgelts zum TVöD liegt in den verschiedenen Stufen aktuell zwischen 131 € und 335 € brutto“, schreibt das DRK.

„Nicht teurer als die bisherige Miete“

Sparbemühungen beim Personal gebe es jedenfalls nicht, und daher auch keinen Zusammenhang mit dem Erwerb des ehemaligen Kirchengebäudes: „Der Kauf der Immobilie hatte zu keinem Zeitpunkt einen negativen Einfluss auf die Gehaltsstruktur.“ Das DRK habe 2022 die frühere Bonifatiuskirche gekauft, weil der Mietvertrag für die bis dahin genutzten Büroräume an der Zumsandestraße auslaufen würde. 

Man habe sich verschiedene Mietobjekte angesehen, die aber stark renovierungsbedürftig und nur mit Staffelmietverträgen zu haben gewesen seien. Dann kam die Gelegenheit, die ehemalige Kirche zu kaufen.

Den Kaufpreis nennt das DRK nicht, gibt aber an, dieser sei „äußerst zinsgünstig langfristig finanziert“. Zins und Tilgungsraten seien nicht teurer als die Miete für die frühere Geschäftsstelle, dafür werde das neue Gebäude „in 20 Jahren schuldenfrei im Eigentum des DRK Münster sein.“

Und warum die Eile beim Gespräch mit der Stadt? Man habe das Thema am 20. März im Rahmen der DRK-Präsidiumssitzung beraten wollen. Auch für die Eltern wollte man eine schnelle Klärung. Die gab es aber wohl nicht: Zumindest Anfang April, als das DRK die Stellungnahme geschrieben hat, dauerten die Beratungen mit der Stadt noch an.

„Verwendungsnachweise fristgerecht erstellt“

Etwas nebulös bleiben die Antworten zu einem weiteren Thema, nach dem wir gefragt haben. Laut unseren Informationen hat die frühere DRK-Vorständin Kerstin Adolf-Wright einen externen Berater damit beauftragt, den Kita-Bereich und insbesondere dessen Finanzen zu prüfen. 

Worum genau ging es bei diesem Auftrag? Der Berater wurde laut der Stellungnahme „im Zusammenhang mit der Erstellung von Verwendungsnachweisen sowie vor dem Hintergrund eines Wechsels in der Fachbereichsleitung der Kindertagesbetreuung“ beauftragt. „Das Ergebnis ist, dass die Verwendungsnachweise fristgerecht erstellt werden konnten“, teilt das DRK mit, außerdem gab es „Anregungen zu innovativen Steuerungsprozessen“. 

Über das Honorar sei Stillschweigen vereinbart worden, aber es liege „im Rahmen des für derartige Dienstleistungen Üblichen“. Der Beratungsvertrag läuft noch bis Ende April 2024. „Wir möchten damit unserer Verantwortung gerecht werden und den Verband gerade in diesem gesellschaftlich so wichtigen Bereich zukunftssicher aufstellen“, so schließt das DRK.

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende

Damit noch ein Blick ins Papier für die morgige Ratssitzung: 152 der insgesamt 175 Kitas in freier Trägerschaft sollen etwas von den 4 Millionen Euro abbekommen. Die übrigen 23 Einrichtungen erhalten schon jetzt so hohe Zuschüsse von der Stadt, dass sie qua Ratsbeschluss vom zusätzlichen Geldsegen ausgenommen sein sollen. 

Zur Erklärung: Kitas von freien Trägern decken einen großen Teil ihrer Kosten mit Geld aus der Landes- und der Stadtkasse. Der Rest ist der sogenannte Trägeranteil, den die jeweiligen Organisationen selbst aufbringen müssen. Insgesamt sind das bei den münsterschen Kitas laut dem Ratspapier rund 12 Millionen Euro, von denen die Stadt 4 Millionen Euro ohnehin freiwillig bezuschusst (siehe oben). 

Diese Finanzspritze verteilt sich aber nicht gleichmäßig auf alle Kitas. Für 23 Einrichtungen übernimmt die Stadt den Trägeranteil schon jetzt entweder komplett (das ist laut der Ratsvorlage bei allen neun AWO-Kitas der Fall) oder zu mindestens 70 Prozent. Letzteres trifft unter anderem auf vier der neun DRK-Kitas zu.

Auf den freiwilligen Millionenzuschuss, um den es morgen Abend geht, haben Stadtverwaltung und Politik sich nach unseren Informationen vorab verständigt. Die CDU schreibt in einer Pressemitteilung, sie unterstütze die Hilfe, kritisiert aber die Finanzierung aus dem aktuellen Haushalt. Dass man die Elternbeiträge erhöhe, die Rückzahlung von Elternbeiträgen streiche und Geld aus dem Topf für die Schulsozialarbeit sowie einem Sonderfonds für Schwangere nehme, entspreche nicht den Prioritäten der CDU, sagt CDU-Ratsfrau Carmen Greefrath. 

Zur vorläufigen Rettung der Kitas in Münster trägt übrigens auch das Land bei, das ein Überbrückungsgeld von 2 Millionen Euro schickt. Einen guten Draht nach Düsseldorf hat die Stadt Münster allerdings offenbar nicht – und das obwohl Josefine Paul (Grüne) als zuständige Ministerin ja aus Münster kommt. Stadtdirektor Thomas Paal sagte am Freitag in der „WDR Lokalzeit“, er habe der Ministerin im vergangenen Jahr geschrieben und eine Antwort im gleichen Wortlaut bekommen wie alle anderen auch. Das Land scheine kein weiteres Geld ins System zu stecken. Und das bedeutet: Allerspätestens 2025 wird es also wohl wieder eng werden. (cbu)

Übrigens

Falls Sie sich für Kommunikationsstrategien interessieren, wird Ihnen das hier gefallen. Die Stadt schreibt in ihrer Pressemitteilung zu den zusätzlichen 4 Millionen Euro für die Kitas: „Die freien Träger sind ein wesentlicher Bestandteil der vielfältigen Kita-Landschaft in Münster und sie sind existenziell für eine gute Betreuung und frühkindliche Bildung von Kindern in unserer Stadt.“ Stadtdirektor Thomas Paal soll das gesagt haben. Aber möglicherweise, vielleicht hat auch das Kommunikationsamt diesen Satz aufgeschrieben und Thomas Paal hat gesagt: „Okay.“ So oder so, das Zitat klingt sehr hübsch, viel Wertschätzung, Vielfalt, Bildung, solche Sachen.

Im Ratspapier zu den zusätzlichen 4 Millionen Euro steht ein langer Absatz mit vielen Gründen, warum es für die Stadt sehr, sehr schlecht wäre, wenn Träger ihre Kitas aufgeben würden. Zum einen würde es dann viel teurer, allein bei einer Kita mit 6 Gruppen um mehr als 100.000 Euro, rechnet das Jugendamt vor. 

Außerdem würden die Träger wohl die Kitas abgeben, nicht aber ihr Personal. Die Stadt würde also auf leeren Gebäuden sitzenbleiben, für die sie weiter Miete zahlen müsste. Gleichzeitig drohten Klagen von Eltern (wir übersetzen: Müttern), die mangels Kinderbetreuung ihren Job aufgeben müssten und Schadensersatz fordern könnten. Und jetzt lesen Sie doch nochmal das Zitat aus der Pressemitteilung. (cbu)

Klima-Update

+++ 2023 war in Europa ein Jahr extremer Wetterereignisse, das geprägt war von ungewöhnlich hoher Hitze, massiven Bränden und schweren Überschwemmungen. So steht es im Klima-Statusbericht des EU-Klimawandel-Dienstes „Copernicus“. Die Temperaturen waren laut dem Bericht so hoch wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Besonders betroffen war der Süden Europas, wo extreme Hitzestressbedingungen 41 Prozent der Region bedeckten. Die Brände, darunter das größte je in der Europäischen Region registrierte Feuer in Griechenland, und die Hitzewelle im Juni, die Oberflächentemperaturen bis zu fünf Grad über dem Durchschnitt erreichte, sind laut dem Bericht direkte Folgen der steigenden Temperaturen. Zudem verursachten die hohen Niederschläge im Herbst und Winter erhebliche Überschwemmungen, die wirtschaftliche Schäden in Höhe von 13,4 Milliarden Euro nach sich zogen. (rhe)

Korrekturen

Vor ein paar RUMS-Briefen ging es um die Situation von Musikschullehrkräften in Münster (RUMS-Brief). Eine Musikschullehrkraft hat uns auf ein paar Ungenauigkeiten aufmerksam gemacht. In der elementaren Musikerziehung gibt es nicht nur Angebote für Kinder, sondern für alle Altersstufen. Zeitgutschriften, die wir im Text als Lösungsansatz aus Hamm vorstellen, gibt es auch an Münsters Musikschule. Grundsätzlich sind im TVöD-Vertrag Zeitkontingente für sogenannte „Zusammenhangstätigkeiten“ vorgesehen. Ihren kompletten Kommentar zum Text können Sie unter dem Bericht hier nachlesen.

Ein-Satz-Zentrale

+++ Auf dem Gelände der ehemaligen York-Kaserne ist am Montag ein Blindgänger entschärft worden, wobei nur 200 statt der zunächst geplanten 1.000 Menschen evakuiert werden mussten. (Antenne Münster)

+++ Münster hat seit 1990 viel CO2 eingespart, kommt aber jetzt nicht mehr so richtig weiter. (Westfälische Nachrichten)

+++ Nach der Absage eines Vortrags im Bennohaus wegen Antisemitismus-Vorwürfen hat die veranstaltende Gruppe „Palästina Antikolonial“ angekündigt, den Vortrag woanders stattfinden zu lassen. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die Stadt bittet die Menschen, schattige Plätze und Trinkwasserstellen zu nennen, die sie dann in einem digitalen Stadtplan verzeichnen will. (Stadt Münster)

+++ Die Immobiliengesellschaft der Sparkassen hat im vergangenen Jahr fast jeden Tag eine Immobilie verkauft und sieht das als Beleg für die Beliebtheit der Region als Wohnort und Investitionsstandort. (Sparkasse Münsterland Ost)

+++ Ab dem 1. Juli dürfen in Münster die ersten Cannabis-Anbauvereinigungen starten, Ende Oktober dann voraussichtlich zum ersten Mal ernten. (Westfälische Nachrichten)

+++ Die St.-Franziskus-Stiftung Münster will auf dem Gelände des inzwischen abgerissenen Paul-Gerhardt-Hauses den geplanten Bildungs- und Begegngungscampus auf besonders nachhaltige Weise bauen. (St.-Franziskus-Stiftung, ZDF – ab 7.20 min)

+++ Am 28. Mai wird der französische Staatspräsident Emmanuel Macron während seines Deutschlandbesuchs in Münster mit dem Westfälischen Friedenspreis für sein Engagement zur Konfliktbegrenzung während des russischen Überfalls auf die Ukraine ausgezeichnet. (WDR)

+++ Nachdem die Zahl der Baugenehmigungen zurückgegangen ist, wird die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Münster bald wohl noch kritischer. (Westfälische Nachrichten)

+++ Bei einer Sitzung des obersten Mitwirkungsgremiums im Bistum, Thema Veränderungsprozesse, Verantwortungsübernahme der Gläubigen, Rolle der Frau, hat Bischof Felix Genn darauf hingewiesen, dass sich einiges auch schon verändert hat. (Bistum Münster)

Unbezahlte Werbung

Auf der Website von „Bethlehem Cravings“ steht, der Onlineshop habe sich auf den Verkauf von Olivenöl, Datteln, Kräutern und Gewürzen aus dem Nahen Osten spezialisiert. Mittlerweile findet sich in dem Onlineshop aus Münster aber noch mehr: Süßigkeiten, handgemachte Keramik, Seifen, Portemonnaies, T-Shirts und Pullover. Der Shop arbeitet eng zusammen mit Bäuer:innen aus der Nähe von Bethlehem. Mit einem Teil der Einnahmen möchte „Bethlehem Cravings“ die nachhaltige Landwirtschaft im Westjordanland unterstützen. Und übrigens: Falls Sie demnächst am Spiekerhof unterwegs sind, schauen Sie in das freie Ladenlokal an der Hausnummer 20. Dort stellt „Bethlehem Cravings“ zurzeit ein paar Produkte aus. Wenn Sie einmal hier klicken, kommen Sie auf die Instagramseite.

Hier finden Sie alle unsere Empfehlungen. Sollte Ihnen ein Tipp besonders gut gefallen, teilen Sie ihn gerne!

Drinnen und Draußen

Heute hat Katja Angenent für Sie in den Kalender geschaut. Das sind ihre Empfehlungen. 

+++ Für Kurzentschlossene: Es fehlen nur noch 15 Anmeldungen, damit der „Wings for Life World Run” um den Aasee am 5. Mai das zweitgrößte inklusive Event in Deutschland wird. Anmeldungen hier

+++ Beim Poetry-Festival im Cuba morgen Abend liest um 20 Uhr Dirk Bernemann aus seinem neuen Erzählband „An und für sich“. Karten gibt es im Vorverkauf bei LocalTicketing.

+++ Am Donnerstag treten Charming Desaster aus New York in der Heilen Welt auf. Das Duo hat sich für seine Musik von Edward Gorey und Tim Burton inspirieren lassen und kredenzt „Goth-Folk“ im Cabaret-Stil. Los geht es um 20 Uhr, der Eintritt ist frei.

+++ Wer „Geheimplan gegen Deutschland“ des Stadtensembles noch nicht gesehen hat, bekommt am Freitag die vorerst letzte Chance: Dann wird die Correctiv-Recherche noch einmal als szenische Lesung mit anschließendem Nachgespräch aufgeführt, und zwar im LWL-Museum am Domplatz. Karten kosten zehn Euro und sind hier erhältlich.

+++ Im Stadtmuseum läuft noch bis einschließlich Sonntag die Ausstellung Lichtobjekte, in der Billi Thanner, die Künstlerin hinter der Friedensleiter, zwei weitere ihrer Installationen präsentiert. Eine Leiter gibt es dort übrigens auch zu sehen: Im Objekt „Die 33 Tugenden“ steht jede Strebe für eine Tugend, die Billi Thanner zuvor ausgewählt hat. Der Eintritt ins Stadtmuseum ist frei.

+++ Der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan erzählt in seinem Roman „Internat“ die Odyssee des Lehrers Pasha, der seinen Neffen aus einem Internat im russisch besetzten Donbas abholen will. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung urteilt Kerstin Holm, das Stadttheater Münster habe den Okkupationsroman „höchst poetisch-artistisch“ inszeniert – mit kindergroßen Puppen, einer Projektionswand, Schattenspielen und stimmungsvoller Begleitmusik. Für die letzte Aufführung am 3. Mai sind jetzt Karten erhältlich.

Am Freitag schreibt Ihnen Svenja Stühmeier. Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.  

Herzliche Grüße
Ralf Heimann 

Mitarbeit: Constanze Busch (cbu), Sebastian Fobbe (sfo), Jan Große Nobis (jgn) – das bedeutet: Die einzelnen Texte im RUMS-Brief sind von der Person geschrieben, deren Kürzel am Ende steht.
Lektorat: Svenja Stühmeier

PS

Oben haben wir über die Demokratie gesprochen, die bald in ziemliche Schwierigkeiten geraten könnte oder vielleicht schon in Schwierigkeiten steckt. Und nicht ganz bedeutungslos sind dabei Medien, vor allem lokale. Das ist unser Thema. Daher weisen wir immer wieder auf interessante Beiträge zum Thema hin. Gestern ist so ein Text beim Schweizer Magazin „Die Republik“ erschienen. Philipp Albrecht und Dennis Bühler schreiben über den Niedergang des Lokaljournalismus in der Schweiz und darüber, welche Folgen das für die Demokratie hat. Die Spirale beginnt ungefähr dort, wo den Medien Abos wegbrechen, sie sparen müssen, Personal kürzen, weniger Menschen mehr machen müssen, gute Leute verloren gehen, Inhalte langweiliger werden, Abos verloren gehen, Medien sparen müssen, Personal kürzen, weniger Menschen mehr machen müssen, gute Leute verloren gehen… Sie erkennen das Problem. Ach, und falls Sie uns empfehlen möchten, wir würden uns freuen. (rhe)

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